24. November 1914 2. Feldpost von Michael Zinner
 
 
 
 
 
     
 
         
   

Vimy d. 24. Nbr. 1914

Geehrter Herr Pfarrer!

Ihren werten Brief habe ich erhalten, welcher mir sehr viel Freude machte, herzlichen Dank. Habe daraus ersehen, daß in unserer Gemeinde etliche tot und mehrere verwundet sind. Denn dieser Krieg ist was Schreckliches, wenn man das alles mit ansehen muß wie ich, von Anfang wie bis jetzt in jeder Stunde der großen Gefahr ausgesetzt, das schreckliche Artilleriefeuer, wo wir zitternd und bebend uns in die Erde hineindrückten und jeder Augenblick die Stunde unseres Ablebens sein könnte, wenn nicht Gott der Allmächtige seine Hand über uns streckte und die feindlichen Geschosse abwies.


Wir sind seit 1. Oktober hier in Nordfrankreich. Am 2. Oktober marschierten wir durch Douai. Da mußten 24 Mann, wo ich dabei war, ein großes Haus durchsuchen, wo Engländer und Franzosen versteckt waren. Als wir die Türe aufschlossen, gingen sie mit ausgestreckten Armen heran und ergaben sich. 145 Mann und im nächsten Haus 30. Sie wurden von uns ins Rathaus geführt, von da in die Kirche und hernach auf den Transport nach Ingolstadt, circa 900 Mann.


In kürzester Zeit haben von uns Freiwillige und Pioniere einen Angriff gemacht, den
französischen Schützengraben genommen und am anderen Tag machte der Feind wieder einen Gegenstoß, wurde aber von Bomben und Handgranaten zurückgewiesen. Wir liegen stellenweise 50 Meter vom Feind entfernt. Jetzt werden wir weiter nach rechts verschoben. Haben kalte Tage mit Schnee.


Am Reformationsfest erhielten wir das heilige Abendmahl in einer Scheune abends sechs Uhr. Haben auch jetzt viele Gottesdienste, wenn wir in Vimy sind. Eine große Tat Gottes wäre, wenn wir das heilige Weihnachtsfest in der Heimat feiern
könnten oder möglichst bald Frieden würde, wo ein jeder sich danach sehnt.

Bin, so Gott will, bisher gesund, was ich auch von Ihnen erwarte.
Unter herzlichsten Grüßen
Joh. Zinner

   
         
 
     
 
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