24. Januar 1917 Feldpostbrief von Karl Leibenzeder
 
 
 
 
 
 
 
 
     
 
         
   

Haubourdin, 24. I. 17.

Sehr geehrte Herr und Frau Pfarrer!
Liebe Kinder!

Vor allem meinen herzlichsten Dank für das mir freundlich zugesandte Paket. – Über meine Abkommandierung werden Sie wohl auch überrascht gewesen sein, wie auch ich. Mein nunmehriger Dienst besteht in der Untersuchung von Zivilwohnungen nach militärischen Gegenständen wie: Waffen, Munition, photographischen Artikeln, beschlagnahmten Gegenständen etc. etc. Auch habe ich bei Beschaffung von Quartieren mitzuhelfen. Ich bin gewissermaßen Polizei-Unteroffizier.

Haubourdin hat etwa noch 8000 Zivilisten. Von Santes, meinem früheren Ruhequartier ist Haubourdin etwa eine ½ Stunde entfernt. Es liegt am Kanal von La Bassee. –

Ich wohne privat und habe ein sehr schönes Quartier mit Bett. –

Unsere Verpflegung fassen wir roh und lassen von einer Köchin kochen, sehr gut und vor allem sehr reinlich. –

Das 14., 11. Regiment und das 21. Regiment bilden die neue 16. bayerische Division. Bis Ende Februar bekommt jede Infanterie Kompanie 6 Maschinengewehre, ferner muß bis Ende Februar jede stellvertretende Infanterie-Brigade ein vollständiges mobiles Bataillon aufstellen. –

Hier oben herrscht zur Zeit eine unheimliche Ruhe an der Front, dafür eine umso rege Tätigkeit hinter derselben.
Artilleriemunition kommt in Menge an, Kraftwagen-Kolonnen und Sanitätsfahrzeuge in vermehrter Zahl sind wohl die Vorbereitungen für kommende Ereignisse. Wo wird wohl der Rummel losgehen? –

In unsere verlassene frühere Stellung sowie in die des 7. Regiments sind nun an einzelnen Stellen schon die frechen Engländer hereingekommen. Am Sonntag 14. I. hat sogar ein englischer Offizier mit 19 Mann eine gewaltsame Erkundung vorgenommen an derselben Stelle, an der wir sonst immer besetzt halten, wenn wir in Stellung sind. Wir waren zu dieser Zeit in Ruhe. Diese Erkundung ist ihnen aber schlecht gekommen, der Unteroffizier-Posten der 11. Comp. (16(?) und 6 Mann) schoss 14 Engländer ab und nahmen den Offizier mit 5 Mann gefangen. Kein Mann der Patrouille kam mehr zurück. Recht so! –

Die neuesten Nachrichten erfahre ich nun immer noch am gleichen Tag. Auch gibt es reichlich Lesestoff bei der Buchhandlung der Kommandantur (Cölner Zeitung, Münchener Neueste, Belgischer Kurier und dgl., auch Zeitschriften wie „Woche“, Simplizissimus sind zu haben.)

Unser Ortskommandant ist von Beruf Staatsanwalt in Frankenthal (Pfalz), in seinem militärischen Rang Hauptmann. Meine neue Adresse heißt nun nur noch:
U.O.L., Ortsktur Haubourdin, Feldpostamt 406. –
Dies das Wichtigste über meine jetzige Stellung.

Seien Sie nun herzlichst gegrüßt
bis auf ein so Gott will gesundes Wiedersehen!
Ihr ergebenster

K. Leibenzeder.

   
         
 
     
 
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