Feldpostbrief von Johann Rieder
 
     
 
 
 
 
     
 
         
    Sehr geehrter Herr Pfarrer.

Nachdem ich am 10. dieses Monats in den Besitz Ihres werten Briefes gelangt bin, will ich Ihnen auch Antwort geben. Es freute mich sehr und spreche hiermit meinen Dank aus. Lang ist es nun her, daß wir von den Unsrigen und von den heimatlichen Bergen Abschied genommen und immer noch kein Ahnen, daß es einmal Frieden würde. Große Strapazen, Entbehrungen etc. hatten wir bei Anfang des Krieges durchzukämpfen. Tag und Nacht mußten wir marschieren und bekamen nur so viel zu essen und trinken, daß wir den allergrößten Hunger und Durst stillen konnten, von einem Sattessen war da keine Rede mehr.

Man konnte es selbst oft nicht glauben, daß man mit dem hungrigen Magen solches leisten kann. Ich habe seit Anfang des Krieges aus irgendeiner Beschwerde noch nie meine Kompagnie verlassen brauchen, habe alle Freud und Leid mit meinen Kameraden teilen können. Bin auch heute noch gesund und munter und sehe mit Gottes Hilfe der Zukunft entgegen. Er hat bisher geholfen, wird auch noch weiter helfen.

Am 23. August gerade mittags 12 Uhr marschierten wir über die Grenze und am 24. hatten wir schon das Gefecht bei Äton (deutsch gesprochen; „Eton“), wo unser Kamerad Büttner von Dippoldsberg einen Brustschuß bekam und dieser Verletzung am 26. früh gegen 4 Uhr erlegen ist. Bis in die Nacht dauerte das Gefecht, als aber unsere brave Artillerie das Dorf zu einem Steinhaufen machte, da liefen die Franzosen was sie nur laufen konnten.

Das ist der Anfang meiner Erlebnisse, kann aber nicht so fortfahren, das wissen Sie ja auch. Und das alles was wir bisher geleistet und geopfert haben wird von manchen in der Heimat bleibenden Kameraden so wenig beachtet und so gering geschätzt, denn da kommen Briefe herein von unseren Angehörigen, daß wenn man zuvor wüßte, was der Inhalt ist, würde man solche Briefe ins Feuer werfen. Ich spreche grundsätzlich nicht von meiner Persönlichkeit, ich habe genug, wenn meine Kameraden so im Vertrauen erzählen. Und wer weiß mit welchen Gefühlen sie dann ein Gläschen Schnaps oder ein paar Würste abschicken, denn das wollen sie sich nicht nehmen lassen, daß sie nichts schicken. Wir haben aber es schon erfahren müssen. welche Gedanken sie tragen. Zu Anfang des Krieges da hatten sie freilich recht. Da sagten (sie), wenn der Feind nur nicht zu uns herein kommt und jetzt, daß sie sehen, daß unser Land nicht gefährdet ist, jetzt machen Sie so dumme Reden usw. Es tut mir natürlich sehr leid, daß wir solches erfahren müssen, die wir doch Leben, Gut und Blut einsetzen auch für solche.

Geschrieben in einem Hundshüttenartigen Unterstand am Waldessaum vor dem Dorfe
Avonkour (Avancourt?).

Hochachtend
Rieder Johann

   
         
 
     
 
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