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Es
gab noch viele andere Freunde, mit denen ich auf der
Straße spielte oder durch die nahegelegenen Wälder
streifte, wie den Metzgerssohn Georg Däumler. Wir
lernten miteinander das Fahrradfahren - was für
eine Freude, als ich mit 14 Jahren das erste Fahrrad
bekam! -, wir liefen im Winter auf dem Dorfweiher Schlittschuh:
da hörte freilich einmal die Kameradschaft plötzlich
auf, als ich auf dem noch nicht festgefrorenen Eis einbrach
und um Hilfe rief. Da ließen sie mich alle im
Stich und ich konnte nur mit Mühe und Not selber
wieder aus dem kalten Wasser herauskriechen auf ein
festeres Stück Eis. Unsere Streiche waren gewiss
auch nicht immer gut, und die dunklen Seiten des dörflichen
Lebens, auch der Jugend, habe ich ebenso kennen gelernt
wie die hellen.
So
wurde uns Leben und Sterben, Licht und Schatten, Höhen
und Tiefen gerade in dieser überschaubaren Gemeinschaft
wohlvertraut. Und als ich im Jahre 1972 die Goldene
Konfirmation mit meinen Mitkonfirmanden von 1922 feierte
und im Gottesdienst die Predigt über 2.Tim 3,15
hielt: „Weil du von Kind auf die Heilige Schrift
weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit
durch den Glauben an Christum Jesum", da stand
die Konfirmandenprüfung von 1922 vor mir, die der
Vater damals ausgehend von diesem Bibelspruch gehalten
hatte, und die ganzen Kirchfarrnbacher Jahre wurden
gegenwärtig, als wären sie erst gestern gewesen.
In
diese Zeit war ja auch der Erste Weltkrieg gefallen.
Noch erinnere ich mich gut an die Tage des Kriegsausbruchs
1914 mit ihren Gerüchten über angebliche russische
Spione mit großen Goldtransporten, die ausgerechnet
durch das abgelegene Kirchfarrnbach kommen würden.
So waren auch bei uns die Leiterwagen mit dem eben eingefahrenen
Klee quer über die Straße gestellt, und der
Vater hatte die Gartentür ausgehängt und auf
die Straße gelegt, damit das Spionauto ja aufgehalten
würde. Aber die schweren Zeiten kamen ja dann erst
allmählich, wo der Vater in der Kirche auf einer
Tafel immer mehr Namen von Gefallenen anbringen musste.
Und eines Tages kam von Dietenhofen einer der Brüder
unserer Mutter mit der erschütternden Nachricht,
dass gleich zwei ihrer acht Brüder, Hans und Julius,
nicht mehr wiederkommen würden. Sie musste etwas
später auch noch einen dritten Bruder, unseren
Onkel Dietrich, hergeben.
Die
Jugendjahre in Kirchfarrnbach wie das Elternhaus überhaupt
stehen für mich wohl auch deshalb in einem besonders
hellen Licht, weil ich schon im Alter von elf Jahren
vom Elternhaus Abschied nehmen musste. Nachdem der Vater
mich zwei Jahre lang privat unterrichtet hatte, machte
ich im Herbst 1919 in Windsbach die Aufnahmeprüfung
in die zweite Klasse des dortigen Progymnasiums und
wurde Zögling im Pfarrwaisenhaus Windsbach. Anders
als auf dem Weg über ein Internat konnten viele
Pfarrerkinder vom Lande damals nicht zu einer höheren
Schulbildung kommen. Meine ältere Schwester Elsbeth
ging einen ähnlichen Weg und kam zugleich mit mir
nach Neuendettelsau in die Rote Schule. Im Rückblick
muss ich sagen: Eines hatte diese frühe, schmerzhafte
Ablösung vom Elternhaus vor heutigen Verhältnissen
auf jeden Fall voraus: Für den heranwachsenden
Sohn in der Ferne, der wie ich nur drei- oder viermal
im Jahre zur ersehnten Familie nach Hause kam, gab es
gewiss auch den Eltern und den Geschwistern gegenüber
Probleme, aber sie lagen von vorneherein auf einer anderen
Ebene und hatten schon deshalb ein viel geringeres Gewicht,
weil das geliebte Elternhaus im Abstand ganz besonders
hell leuchtete. Hier war der nährende Boden, dem
ich mich verbunden fühlte, und ich wusste nichts
von der muffigen Enge mit den verzopften Eltern und
der unfreien Atmosphäre, der man als Jugendlicher
nicht rasch genug den Rücken kehren kann! |
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