Avion
d. 25. Dez. 1914
Werter Herr Pfarrer
Wir feiern Weihnachten
heuer im Feindesland. Auch da zeigt sich ein Gefühl,
als stände das stille Weihnachtsfest vor der Türe.
Schon drei Tage ist in unserer Stellung kein Schuß mehr
gefallen. Sie haben uns zugerufen, unsere Franzosen gegenüber:
Kameraden nicht schießen, wir wollen auch Weihnachten
feiern. Händereichen von Ferne und Mützenschwenken
gegenseitig. Wir sind bloß 50 m gegenseitig voneinander.
Am Heiligen Abend war eine Totenstille. Überall wurden
Lieder gesungen und Musik spielte in den verschiedenen Stellungen.
Auch hier wird
Weihnachten gefeiert, wo das Donnern der Geschütze verstummt.
Es war eine stille, heilige Nacht, durchhallt von Gesang und
Musik. Wie gerne wollten sie uns vielleicht die Hände
reichen bei friedlicher Weihnachtszeit. Wir wollen hoffen,
mit Gottes Hilfe einem baldigen Ende entgegen sehen zu dürfen.
Lieber Herr Pfarrer,
Ihr Paket habe ich erhalten, auch Ihre Sonntagsblätter
erhalte ich regelmäßig. Ich danke Ihnen nochmals
für Ihr Geschenk. Vielleicht, wenn es Gottes Wille ist,
ich es Ihnen noch dankbar sein kann. Ein freudiges
Wiedersehen sieht entgegen
Leonhard
Enzner
Hilft
Gott nicht zu jeder Frist
hilft er doch wenn's nötig ist.
Wir wollen
auf den Herrn vertraun . Er wird uns nicht verlassen wie im
91. Psalm geschrieben steht.
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