Im
Felde geschrieben den 30. Dez. 1914
Geehrter Herr Pfarrer
Ich teile Ihnen
mit, daß ich Ihren werten Brief mit größter
Freude erhalten habe, wofür ich bestens danke. Es hätte
ja niemand gedacht, daß wir an Weihnachten noch im Felde
stehen. Wir hatten ja Weihnacht auch gefeiert, sind sehr beschenkt
worden. Aber Weihnachten zu Hause und (im) Feld ist zweierlei
Schuh. Wir hatten uns in unserem Quartier, das aus einer alten
zusammengeschossenen Scheune besteht, ein Christbäumchen
aufgehängt.
Am heutigen Abend
hatten wir Gottesdienst gehabt, wo es sehr feierlich war.
Es ist die Predigt, die der Feldgeistliche hielt, manchem
zu Herzen gegangen, manchem sind die Tränen aus den Augen
gequollen. Nach dem Gottesdienst sind wir wieder in unser
Quartier zurück, hatten uns Punsch gemacht, hatten dann
ein schönes Weihnachtslied gesungen, Stille Nacht, heilige
Nacht. Einigen meiner Kameraden ging das Lied so zu Herzen,
daß sie weinten.
Lieber Herr Pfarrer,
mir ist keine Arbeit zuviel, wenn mir nur der liebe Gott das
Leben schenkt und mich zu meinen lieben Eltern zurückkehren
läßt. Ich tröste mich immer mit dem Spruchwort:"Gott
hat bisher geholfen und wird noch weiter helfen."
Soweit bin ich
noch gesund und mobil, das ich auch von Ihnen und Ihrer lieben
Frau hoffe.
Lieber Herr Pfarrer:
Alles sehnt sich nach baldigem Friedensschluß, denn
jetzt wäre es schon lange genug. Teile Ihnen mit, daß
ich zur 4. Batterie versetzt bin, weil eine neue Batterie
nach Nordfrankreich abgestellt wurde. In Erwartung, daß
Sie mein Brief so gesund erreicht als er mich verläßt,
grüßt Sie bis ein baldiges Wiedersehen
Georg Krehn
Wünsche Ihnen sowie Familie gesundes neues Jahr.
Auf Wiedersehen |