Sehr geehrter Herr
Pfarrer!
Sie werden zwar
schon länger auf Nachricht von mir gewartet haben, aber
die Zeit ist immer zu kurz. In der vorderen Linie kann man
nicht schreiben, in Unterstützung müssen wir die
ganzen Nächte Schanzarbeiten verrichten, und bei Tag
hat man meistens so viel Artilleriefeuer, daß man gar
nicht ans Schreiben denken kann. Indem es heute etwas ruhiger
ist, möchte ich Ihnen nun mitteilen, daß ich Ihre
beiden reichgefüllten Pakete bei guter Gesundheit und
mit großer Freude am siebten Februar abends erhalten
habe. Ich spreche Ihnen sowie der lieben Pfarrgemeinde meinen
höflichsten Dank aus.
Unsere Kriegslage
ist immer die gleiche. Drei Tage in der vorderen Linie, drei
Tage in Unterstützung und drei Tage in Ruhe, die wir
meist in französich Comin zubringen. In der vorderen
Linie war es bis in die letzte Zeit sehr schlecht durch das
fortwährende Regenwetter, so daß man oft bis an
(die) Knie in Wasser und Dreck stehen mußte. Dazu gesellte
sich noch starkes Granat- und Schrapnellfeuer, während
man von Gewehrfeuer durch die Luftwaffe (zu)gedeckt ist. In
Unterstützung war es nicht besser. Man hat mehr Granat-
und Schrapnellfeuer als in der vorderen Linie.
Kam man in Ruhe,
so hatte man auch nicht Gelegenheit, die Sachen zu trocknen,
so daß einem die Leibwäsche im Tornister stockte
und schlecht wurde. Jetzt ist auch in dieser Beziehung gesorgt,
nachdem wir von hier nach Comin kommen, immer Wasch- und Trockengelegenheit
haben. Auch in den Schützengräben ist der Aufenthalt
bedeutend besser, nachdem die Gräben gut mit Brettern
ausgebaut (sind) und für gute Unterstände gesorgt
ist. Schon seit vierzehn Tagen haben wir zeitweise das schönste
Frühlingswetter. Die Stare und sonstigen Vögel singen
und pfeifen wie in der Heimat an schönen März- oder
Apriltagen. Der Gesang der Vögel wird leider durch die
eisernen Grüße der Engländer und Franzosen
sehr oft auf etwas grelle Weise unterbrochen und schreckt
(uns) immer aus den Träumen von der lieben Heimat in
unsanfter Weise auf.
Geehrter Herr Pfarrer,
wollen wir beten und hoffen, daß mich der, der mich
bisher beschützt hat, auch fernerhin beschütze.
So daß ich ein fröhliches Wiedersehen in der lieben
Heimat bei meiner mir so schwer am Herzen liegenden Familie,
bei meinen lieben Eltern und Geschwistern und allen Freunden
und Bekannten feiern könnte.
Nochmals meinen
herzlichsten Dank und viele Grüße an Sie und die
liebe Pfarrgemeinde.
In der Hoffnung auf ein baldiges und gesundes Wiedersehen
verbleibe ich Ihr
ergebener
Konrad Löb