1. Juni 1915 Feldpostbrief von Simon Höfling
 
 
 
 
 
 
 
 
     
 
         
   

[Beaucamps-Ligny]

Geschrieben im Schützengraben den 1. Juni 15.

Hochgeehrter Herr Pfarrer!

Heute früh als der Morgen graute und ich mein Morgengebet zum Himmel emporsandte kam aus der Heimat ein Brief von meiner Frau und Euer Paket das mich alles sehr erfreute.
Ich war ganz überrascht, kann aber Eure werten Liebesgaben notwendig gebrauchen, und danke von Herzen vielmals dafür.
Ich bin gegenwärtig gesund und wohl, wofür ich Gott danke. Seit 13 Mai bin ich aus dem Lazarett entlassen und wieder bei meinem Truppenteil an der Front, die meiste Zeit im Schützengraben, inzwischen auch in zweiter Linie zur Unterstützung. Da ists aber viel schlimmer weil man viel feindl. Artilleriefeuer hat.
Am 21 Mai kamen wir zurück in 3 Linie in Reserve nach Beaucamps. Hier hatten wir 3 Tage Ruhe, aber diese Ruhe ist uns auch nicht gegönnt im Schutze der Nacht muß man ins Gefechtsfeld rücken und Lauf- und Schützengräben bauen.
Am Pfingstsonntag Morgen war in Beaucamps Gottesdienst in einer sehr schönen kathol. Kirche. Da draußen im Feindesland merkt man recht was ein Gottesdienst wert ist, der Geist und Sinne emporführt zum Himmel. Die Nacht darauf gings wieder im Schützengraben da ich heute hier im Unterstand sitze und schreibe. Von. 24 auf 25. Mai war hefiger Artilleriekampf daß die Erde erdröhnte und wir standen die ganze Nacht auf Posten mit aufgepflanztem Gewehr in der Hand in Erwartung unserer Gegner, greifen an aber er kam nicht.
Derzeit ist bei uns ziemlich Ruhe, nur vereinzeltes Gewehr- und Artilleriefeuer, an das man sich gewöhnt als gehöre es zum Leben. Im Schützengraben ist der Dienst für mich bei Nacht 4 bis 6 Stunden Posten stehen am Tage 2 Stunden. Die andere Tageszeit wird geschlafen, dazwischen auch Säcke mit Erdfüllung zum Verstärken und Ausbessern des Grabens, das bei Nacht geschieht.
Am 9. Mai sprengten die Engländer an einer Stelle des 16 Rgt den Graben in die Luft um durchzubrechen, wurden aber wieder zurückgeschlagen. Das Loch hab ich gesehen, das gesprengt wurde, es ist so groß als daheim der Steinbruch wozu unserm Bürgermeister sein Haus die Steine herauskommen. Da liegen noch viele liebe Kameraden verschüttet daß man den Leichengeruch in der Luft schmeckt. 8 Tage danach ist das Gelände zwischen den Gräben noch voll toter Engländer gelegen, jetzt ist aufgeräumt.
Von Pfingsten an hat Italien den Krieg an Österreich erkl. Das gilt auch für uns, Neuer Feind neue Ehr. Daß wir siegen daran zweifeln wir nicht, wir führen Krieg für eine gerechte Sache, das ist die Stimmung unter uns. Ich schließe meinen Brief mit der Bitte zu Gott, daß er alles zum Besten für uns wende.

Mit freundlichem Groß aus dem Felde
In Nordfrankreich
Landwehrmann Simon Höfling
6 Bayer. Res. Division
21 Bayer Res. Inft. Rgt.
6 Komp


   
         
 
     
 
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