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Schützengraben,
den 22. Oktober 1915
Geehrter Herr Pfarrer!
Ganz überrascht wurde ich heute durch Ihre werte Karte
und die 2 Pakete sofür ich bestens danke. Es ist mir
herzlich leid, daß ich nicht schon länger geschrieben
habe und bitte um Verzeihung. Unser Dienst ist durch die Offensive
der Feinde jetzt doppelt schwerer als im Sommer, weil man
im Schützengraben nochmal soviel Posten stehen muß
und viel schärfer beobachten, daß man von einem
gegnerischen Angriff nicht überrannt wird. Bei uns haben
die Engländer am 25. Sept. nicht angegriffen, da gegen
rechts von uns das 20. Res. Inftr. Regt hatte durch einen
Gasangriff der Engländer schwer zu leiden, 5 - 600 Mann
Verluste, doch ist Gott Lob und Danke durch Gegenangriffe
unserer Infanftr. und Pioniere mit Handgranaten unser Feind
aus unseren Gräben noch an dem selben Tag vertrieben
worden, wobei englische und indische Soldaten gefangen wurden.
Bei uns ist der englische Graben durch unsere Minenschächte
schon mehrere Male gesprengt worden und sie haben daher schon
zeitweilig ihre vordersten Gräben verlassen und auch
nicht angegriffen.
Diese Minenschächte haben uns im Sommer viel Arbeit gemacht,
da wurde zuerst 7 Meter tief gegraben, dann zum feindl Graben
130 Meter vorwärts, do daß man jetzt unter dem
feindlichen Schützengraben 7 Meter unter der Erde ist,
dann haben wir Seitengänge gegraben, daß die Engländer
uns nicht sprengen können. Sie versuchen auch mit Gwetschminen
(?) unsere Stollen zu sprengen, was ihnen noch nicht geglückt
ist. Die große Offensive hat unseren Feinden nichts
genützt, und sie werden noch einsehen müssen, daß
sie uns nichtmehr aus unserer Stellung bringen können,
dazu helfe uns unser Gott. Ich befinde mich zur Zeit gesund
und wohl und hoffe in Vertrauen auf Gott nach einem Kriegsende
eine glückliche Heimkehr.
Grüßt
hochachtungsvollst
Landwehrmann Simon Höfling
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