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Dus, den 15. Februar 1916
Sehr geehrter
Herr Pfarrer.
Ihren
werten Brief nebst evangelisches Familienblatt habe ich mit
großer Freude erhalten. Wofür ich Ihnen sehr geehrter
Herr Pfarrer meinen Herzlichsten mache. Geehrter Herr Pfarrer,
wir sind schon seit 12. Dezember immer auf unserer alten Stellung,
sind weit weg gekommen, habe jetzt die Adresse I Bayerische
Ldw. Division Armee Korps Faltenhausen Bayr. Ldw. Inf. Regiment
N.7. 2. Batterie 6. Komp.
Geehrter Herr Pfarrer, wir haben immer sehr schlechtes Wetter
gehabt, sind oft 2 – 3 Tage nicht trocken geworden.
Ich hab mich ganz ruiniert. Bin schon seit 3. Januar im Lazarett
zu Dus. Habe Lungenentzündung gehabt, auch im Unterleib
viel Schmerzen gehabt und jetzt hab ich es im Magen, welcher
mir ausgepumpt worden ist. Auch hab ich immer große
Sorge, da mir meine Frau schon öfters geschrieben hat,
daß mein Kind, welches im Mai in die Schule gekommen
ist, immer krank ist und nicht in die Schule kann, kann nichts
essen und hat große Schmerzen, möchte immer ihren
Vater. Geehrter Herr Pfarrer, ich verlasse mich auf meinen
lieben Gott. Er wird alles zum Besten machen. Denn: - Was
helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und
Ach usw. Geehrter Herr Pfarrer, Sie fragen an, ob ich ein
feststehendes Messer hab, leider nicht.
Sehr geehrter Herr Pfarrer, vielleicht ist es Gottes Wille,
daß doch dieser schreckliche Krieg bald ein Ende nimmt
und wir, wenn es sein Wille ist, wieder in unsere Heimat zu
unseren Lieben zurückkehren dürfen. O wie fällt
es mir die Sonntage oft schwer, daß ich nicht in die
schönen Gottesdienste kann. Sehr geehrter Herr Pfarrer,
ich mache nochmals meinen herzlichsten Dank und wünsche
Ihnen sowie Ihrer ganzen Familie Gottes reichen Segen und
wünsche Ihnen ferner Glück und Gesundheit auf allen
Ihren Wegen.
Geehrter Herr Pfarrer, verzeihen Sie, daß ich so schlecht
geschrieben, meine Hände sind noch sehr zittrig.
Es grüßt
Sie
Sehr geehrter Pfarrer
Vieltausendmal herzlich
Nikolaus Reiß
Leben Sie wohl in der lieben Heimat.
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