12. Februar 1917 Feldpostbrief von Karl Leibenzeder
 
 
 
 
 
 
 
 
     
 
         
   

Haubourdin, 12. II. 17.

Sehr geehrter Herr und Frau Pfarrer!
Liebe Kinder!

Ihr wertes Paket gelangte heute in meinen Besitz und sage ich Ihnen hiefür meinen herzlichsten Dank.

Mein gegenwärtiger Dienst gibt mir nicht mehr soviel freie Zeit, wie ich solche bei der Kompagnie hatte und ich darf mich daher heute etwas kürzer fassen.

Am Sonntag 4. II. hatte ich 4 französische Zivilgefangene, die in St. Amand einem Arbeitskommando überwiesen waren und von dort entwichen sind, wieder zurückzutransportieren. Es war dies eine ganz angenehme Abwechslung im Dienst, wie ich mir solche öfter wünschen würde. Morgen, 13. II., darf ich schon wieder eine Reise, diesmal nach Belgien, machen. Es werden nämlich 60 Kinder aus Haubourdin nach Holland zwecks besserer Ernährung und Erziehung verschickt. Da habe ich nun mit noch 2 Infanteristen von der Ortskommandatur die Aufgabe, die Kinder bis nach Tournai zu bringen, von wo aus sie dann ein anderes Kommando wieder weiterschafft. Heute Nachmittag muß ich das Gepäck dieser Kinder visitieren. Ich bin jetzt so recht ein militärischer Polizist. Doch es ist immer noch 100 mal schöner so als im Graben. Diese Woche fand ich bei einer Hausdurchsuchung mindestens 1 Zentner tadellose schwarze und graue Wolle versteckt vor. Der Besitzer handelte mit Wolle, konnte resp. wollte aber diesen Posten nicht mehr verkaufen, da sein Eink.-Pos. höher war als der durch Gen. Kdo. Verfügung festgesetzte Höchstpreis von 14 Fr. Er hatte nun den Fehler begangen, die Wolle nicht zu deklarieren, und hat nun neben der Beschlagnahme auch noch eine exemplarische Strafe zu gewärtigen. C’est la guerre!

In letzter Zeit werden Sie einigemale den Namen Fromelles im Tagesbericht gelesen haben. In unserer verlassenen 1. Linie hatte sich nämlich bereits der Engländer festgesetzt. (NB! Nur an einzelnen Stellen!) Daraus ist er nun wieder vertrieben. Den an der Säuberung der Engländer-Nester beteiligten Kompagnien (1., 2., 3., 5., 6., 7., 8. und 9. Kp.) wurde die besondere Anerkennung seitens des Divisions Kommandeurs ausgesprochen und erhielt jeder Mann 1 Flasche Wein. Sonst gibt es vorläufig keine besondere Neuigkeiten an unserem Frontabschnitt.

Wie lange wird es wohl noch ruhig bleiben? Unsere U-Boote machen jetzt ganze Arbeit. Vielleicht wird es unseren H. H. Vettern doch bald warm! –

Mit dem Wunsche auf gesundes Wiedersehen grüßt Sie herzlichst
Ihr ergebener
K. Leibenzeder.

   
         
 
     
 
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