Feldpostbrief
Absender:
Wehrm. Math. Ständtner
bayrisch. Landw. Inf. Rgt Nr. 6.
5. Komp. II Btl. II Zug.
An Herrn
Pfarrer
Dietzfelbinger
Kirchfarrnbach
Post Wilhermsdorf
Bayern Mittelfr
Geschrieben
den 16. Oktober 1917. Frankreich
Werter
Herr Pfarrer!
Schon
seit 6 Wochen bin ich wieder hier in Frankreich um mein Vaterland
schützen zu helfen. Am 8. September mittags 1 Uhr fuhren
wir ab von der Garnisonsstadt Erlangen nach Fürth Nürnberg
Ansbach Crailsheim Stuttgart und kamen am 9. abends 6 Uhr
nach Saargemünd wo wir über Nacht in einem Schulhaus
liegen. Am andern Morgen wieder weiter nach Sa… Bensdorf
Duss bis Anslingen, von dort aus zu Fuß bis hierher.
Die Fahrt war sehr schön, wurden auch genügend verpflegt.
Am 12.
kam ich dann zur 5. K. 6.B(?). 7. Rgt. und auch in die Stellung,
das heißt Schützengraben, wie natürlich die
erste Nacht mir wieder etwas schauderisch ankam, obwohl ich’s
schon gewöhnt war. Mir geht es soweit gut, bin gesund,
und sonderbar, ich lebe zufrieden die meisten Tage ganz ohne
Sorgen. Frau, Eltern und Kinder daheim haben nicht minder
Leichteres, wohl Schweres durchzumachen als ich im Felde.
Aber Gott der den Deutschen nicht verläßt, hält
schützend seine Hand über mich, steht den Meinen
bei, fördert und segnet ihrer fleißigen Hände
Arbeit, macht sie stark alles zu ertragen. Möge sie mir
Gott alle gesund erhalten auf daß wir mit Freuden den
Frieden erleben dürfen.
Es ist
gegenwärtig ruhig hier. Flieger und Artillerietätigkeit
herrscht schon. Leider muß so mancher Kamerad sein Leben
durch Leichtsinn lassen, weil man dem Feinde oft zu viel traut.
Aus weiter
Ferne werter Herr Pfarrer erlaube ich mir Ihnen und Ihrer
ganzen Familie die herzlichsten Grüße zu senden.
Was wird das die Zukunft bringen, das ist die große
Frage, die in diesen Tagen die Herzen von Millionen beschäftigt.
Es ist was Gewaltiges, wenn man bedenkt, wie viele umgelernt
haben, und nicht mehr wie früher den schönen Augenblick
leben können, sondern dann erst sicheren Boden unter
den Füßen zu haben meinen, wenn sie für sich,
ihre Angehörigen Zukunft gewiß geworden sind.
Schon
ist das Herz auf der Reise in ein andres Land.
Weit über
Berg und Tale,
weit über flaches Feld, schwingt es sich über alle
und eilt aus dieser Welt.
Nach Leben
ewigen Leben
verlangt die Menschenbrust
nichts anderes kann ihr geben
befriedigende Lust.
Es grüßt
Ihnen herzlich aufs Wiedersehn
Math. Ständtner
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