Jagdfrevel
(1. Teil)
Mit geringen Ergänzungen aus „Von Fall zu Fall“ von Manfred Mümmler, Verlag Maria Mümmler 1986
I
         
   

Im Königlichen Landgericht zu Markt Erlbach. Man schreibt das Jahr 1848. Es ist der 25. September, vormittags 10 Uhr. Der Landrichter beginnt das Verhör:
"Weiß er, warum er vernommen wird?"
"Nein."
"Betreibt er die Jagd?"
"Ich weiß nichts von einer Jagd".
"Besitzt er eine Jagdflinte?"
"Ich besitze kein Jagdgewehr, sondern bloß eine Muskete, die ich mir infolge des Befehls, dass die Landwehr wieder ins Leben treten soll, angeschafft habe..."
"Es kommt vor, dass er unlängst mit einem Gewehr bewaffnet auf dem Feld getroffen wurde. Was sagt er dazu?"
"Dies ist mir unbekannt, ich kann beweisen, dass man mich mit einem Gewehr auf dem Feld nicht gesehen haben kann."
"Kann er nachweisen, wo er am Freitag, den 1. September gewesen ist?"
"Ich meine, am Freitag, den 1. September war ein regnerisches Wetter gewesen, war den ganzen Tag zu Hause geblieben und habe in der Schmiede gearbeitet, was mein Nachbar Schneidermeister Weißfloch wird bezeugen können, wenn ihn die Länge der Zeit nicht dies unmöglich macht."
"Weiß er, dass auch andere Einwohner von Dippoldsberg die Jagd begehen?"
"Nein."
"Weiß er sonst etwas anzugeben?"
"Nein."

Nichts, aber auch gar nichts Brauchbares konnte der Landrichter aus Markt Erlbach bei diesem Verhör in der anstehenden Untersuchung wegen Wilddiebstahls im September 1848 aus dem vernommenen "Zeugen" (Schmiedemeister Böhm, 33 Jahre alt, zur Zeit Gemeindebevollmächtigter) herausbringen. Standhaft leugnete er alle vorgebrachten Anschuldigungen, die ihm und seinen Kumpanen vorgeworfen wurden. Aber auch die anderen Zeugenverhöre verliefen nicht viel anders.
Der 31 Jahre alte ledige Tagelöhner Georg Simon Mohr verhielt sich bei seiner Befragung genauso:
"Weiß er, warum er vernommen wird?"
"Nein."
"Wo ist er am Freitag, den 1. gewesen?"
"Ich war Freitag lange Zeit beim Schmiedemeister Böhm in Dippoldsberg, welcher gerade keinen Gesellen hat, und wegen schwerer Arbeit mich holen ließ, um ihm beim Hämmern behilflich zu sein, auch am Donnerstag vorher sowie überhaupt schon öfter habe ich ihm bei der gleichen Arbeit Hilfe geleistet."
"Gebe er die Zeit an, in welcher er am Donnerstag, den 31. August und Freitag, den 1. dem Schmiedemeister auf die angegebene Art ausgeholfen hat!"
"Am Donnerstag war ich von 6 - 10 oder vielmehr halb 8 Uhr in der Schmiede, am Freitag früh und unter Mittag, ich war dort von 6 bis 8 Uhr und von 10 Uhr bis halb 2 Uhr oder 2 Uhr."
"Diese Angabe scheint nicht der Wahrheit gemäß zu sein, denn man hat ihn am Freitag, den 1. September ganz woanders als in der Schmiede zu Dippoldsberg gesehen."

Darauf hochfahrend und mit einem fast hochmütigen, selbstbewussten Blick und für jeden laut und deutlich vernehmbar der Beschuldigte:
"Das wird sich zeigen, ob ich am Freitag, den 1. anderswo gewesen bin als in der Schmiede, da kommt ungefähr Hundsscheiß heraus."
"Was hat es mit dem Hundsscheiß, von dem er sprach, aber für eine Bewandtnis?"


Um Ausreden schien er nicht verlegen zu sein, der Georg Simon: "Am Donnerstag, den 31. August kam die Ehefrau des Gemeindedieners Peter Schmid in meine Wohnung und eröffnete meiner Schwester in meiner Angelegenheit, ich solle den Hund, der im Ort herumlaufe, schießen. Es lief nämlich an jenem Tage ein abscheulicher Hund mit einem nachschleifenden Strick im Orte herum, der auch den Hund des Neubauern biss. Die fragliche Aufforderung wurde mir von meiner Schwester hinterbracht, worauf ich in Ermangelung einer eigenen Flinte das Gewehr des Schmiedemeisters lud und damit den Ort absuchte. Als ich aber den Ort durchgangen hatte, fand ich den Hund nicht mehr, ging mit dem Gewehr heimwärts und hing es in der Stube an einen Nagel. Den andern Tag verlangte der Schmied von mir, ich solle das Gewehr losschießen. Ich begab mich daher um 1 Uhr herum vor den Ort hinaus auf den Platz, wo gestern das Schießen abgehalten wurde und feuerte das Gewehr in das Erdreich neben dem Steinbruch ab. Dann trug ich das Gewehr zurück in die Wohnung des Schmieds, wo ich noch bis 2 Uhr arbeitete, worauf ich mich nach Hause begab..."

Der Richter, sichtlich verärgert mit dem ganzen Verlauf des Verhörs, kann nur unwirsch hinzusetzen:
"Hat er sonst noch etwas anzugeben?"
Darauf der frech und triumphierend dreinschauende Georg Simon:
"Nein."

   
   
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