Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Von meines Kindes erstem Tag
Ich Folgendes verraten mag:

 
     
  Es war am 30. Mai 1904, einem Montag, mittags, 3/4 12 Uhr, als unser Kind das Licht der Welt erblickte. Glücklicher Tag, glückliche Stunde, da unsere Herzen überwallten von Freude und Dank! Wie freute ich mich, dass das Kind, das uns Gott geschenkt, ein Sohn war! (Wiewohl ich mich gewiss, wäre es ein Mägdlein gewesen, nicht minder gefreut hätte.) Die lieblichste Musik schien uns der erste Schrei aus des Kindes Mund, bald darauf, als die Großmutter den Neugeborenen auf den Armen hielt, ein kräftiges Liedlein folgte. Nun kam das erste Bad, und bald darauf lag das Kindlein in den weißen Kissen und schlief den ersten süßen Schlaf. Ich aber konnte nicht einschlafen vor freudiger Erregung. Welch ein Glück war es, das Kind anzusehen, das mein Kind war! Nicht satt konnte ich mich sehen an dem süßen Gesichtchen, den winzigen Händchen, den ganz dicken schwarzen Haaren. In den folgenden Stunden wurden Telegramme und Karten mit der fr. Nachricht in alle Himmelsrichtungen versandt. Schon kamen auch die ersten Glückwünsche für den neuen Erdenbürger. – O seliger Tag!  
     
  Am liebsten möchte man sich unaufhörlich mit dem kleinen Burschen beschäftigen. Kann es denn etwas Schöneres geben als zu beobachten, wie solch ein winziges Menschenknösplein sich nach und nach entfaltet? Die Farbe hat unser Kleiner schon mehrfach gewechselt: zuerst war er blau, dann krebsrot, dann kam die Gelbsucht u. färbte ihn zitronengelb, und jetzt sieht er schon ganz rosig aus. Auch die Augen, die zuerst blau waren, zeigen schon einen braunen Schimmer; wie würde ich mich freuen, wenn er seines Vaters Augen bekäme! Die Stirn hat er entschieden vom Vater, desgleichen die dunklen Haare. überhaupt sieht er ganz Dietzfelbingerisch aus. Nur den Mund hat er entschieden von mir, seiner Mutter. Wo aber hat nur der Sohn, der kleine, die herzigen Grübchen her? – Nachts macht er uns viel Unruhe, hoffentlich bessert er sich in diesem Stück bald. Tagsüber ist er ein sehr braves Kind.  
 

 

 
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