Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Erstes Beobachten, Lauschen und Stammeln:
 
     
 
Ach, was ist unser Büblein doch für ein goldiger Kerl! Man kann den süßen Burschen gar nicht gern genug haben. Jeden Tag fast entdecken wir einen neuen Fortschritt an ihm. Die Uhr und der Spiegel interessieren ihn sehr, wenn er „Spieglein schaun“ darf, strahlt er mit dem ganzen Gesichtchen. Diese Eitelkeit hat er aber sicherlich nicht von mir. Seit Anfang Februar sagt er schon „Papa“. Eigentlich bin ich etwas beleidigt, dass er die Mama so gar nicht „nennenswert“ findet.

Endlich, jetzt, im März, sagt er auch „Mama“. Das klingt so schön! Er sagt es aber nur selten – Mit dem Reden geht’s sehr schnell vorwärts. Alle Tierstimmen macht er nach, nur die Suckelsprache bereitet ihm Schwierigkeiten. Der „böse Wauwau“ spielt eine große Rolle; neulich, als der Hund nachts einmal bellte, wachte er auf, sagte vorwurfsvoll: „böser Wauwau“, drehte sich um und schlief weiter. – 17. Januar Einweihung der neuen Bettstatt. Nun wird jeden Tag so und so oft erklärt, dass das „Bette“ ihm, dem Guk, gehört, und nicht dem Papa, auch nicht dem Hottogaul und noch viel weniger dem bösen Wauwau. Beim Breiessen geht’s ähnlich, da darf auch kein Wauwau mittun, selbst der Hund gehört zu denen, die nichts bekommen.

 
     
     
 
Was fällt Nesthäkchen heute ein?
Es will wohl gar schon standhaft sein.
 
 
     
  Lange will’s bei unserm Helden dauern, bis er lernt auf eigenen Füßen zu stehen; er muss sich immer noch festhalten dabei. Allmählich kommt er ein wenig hinter die Geheimnisse des Rutschens, und so kann er sich wenigstens einigermaßen fortbewegen, wenn das auch für seine Füßlein nicht besonders vorteilhaft ist.  
     
     
 
Heut wagt mein Kind den ersten Schritt,
Dein Gott geh’ bis zum letzten mit!
 
 
     
  Der 8. Januar 1906 war der große Tag, an welchem der kleine Mann die ersten Schritte wagte. Mit welcher Freude wurde dieser lang ersehnte „Fortschritt“ begrüßt! Endlich ist’s erreicht und, Gott sei dank er geht gerade und ohne Fehler. Zuerst noch langsam und zaghaft, dann immer tapferer setzte er die Füßchen vor, nach zwei Tagen lief er schon ganz tollkühn, und jetzt schießt er wie ein Kreisel durchs Zimmer. Ganz wundernett sieht das aus; wie gern lässt er sich dann von der Mama in den Armen auffangen! Er ist selbst von der Wichtigkeit dieses Fortschritts durchdrungen und will keinen Augenblick mehr sitzen. „Mama. lauf!“ heißt’s von früh bis spät; was bleibt einem da anders übrig als dem jungen Herrn zu folgen?  
     
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