Kirchliche Kriegschronik der Pfarrei Kirchfarrnbach 1914 - 1918, 1923
gefertigt von Pfarrer Dietzfelbinger
Teil 10

 
 

Gerne steuerte anfangs ein jeder das Seine zur Kriegsfürsorge bei; später wurden Haussammlungen unterlassen, zumal die Gebefreudigkeit durch die lange Dauer des Krieges sehr gelitten hatte. Es berührte schmerzlich, wenn ein großer Bauer sich von der Weihnachtssammlung für die Feldzugsteilnehmer ausschloss, weil, wie er dem Verfasser gelegentlich erklärte, sein Sohn keine reichsgesetzliche Unterstützung erhielt. Hier sei auch die erfreuliche Tatsache erwähnt, dass namentlich im Sommer des Jahres 1917 innerhalb der Pfarrgemeinde sich verschiedene Familien fanden, darunter auch das Pfarrhaus, welche bei der schlechten Ernährungslage Stadtkinder aus Nürnberg und Fürth bei sich aufnahmen. Die Erfahrungen, welche hierbei besonders in Hirschneuses mit vereinzelten Fürther Mädchen gemacht wurden, waren oft recht zweifelhafter Art.

b. Mitarbeit der Frauen und Jungfrauen ---

3. Sonstiges

a Zahl und Schicksale der Gefangenen, Kranken und Vermissten

siehe Kriegsteilnehmerverzeichnis

b Mitteilungen aus Briefen der Krieger

siehe Briefe


Allgemeiner Teil

Unvergesslich bleiben dem, der sein Vaterland lieb hat, die Zeiten des Kriegsausbruchs. Hoch gingen die Wogen der Begeisterung; davon war freilich auf dem Lande weniger zu verspüren; im Allgemeinen neigt der Landbewohner mehr zu geistiger Trägheit und ist für die Begeisterung nur schwer empfänglich. Der Verfasser entbehrte deshalb in jenen Zeiten vieles nach dieser Seite. Kein Wunder, dass er sich deshalb oft nach Fürth und Nürnberg begab, um dort zugleich die neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatz zu erfahren. Diese wurden in Kirchfarrnbach alsbald durch Anschlag an einem Brett veröffentlicht, das der Chronist vor dem Pfarrhause anbrachte, um den Vorübergehenden täglich das Neueste mitzuteilen. Erst als das Interesse mehr und mehr abflaute, wurde dieses Brett wieder entfernt. Zugleich hielt der Verfasser ständig bis an das Kriegsende Feldpostkarten und -Briefumschläge auf Lager, um diese an die Gemeindeglieder käuflich abzugeben; von dieser Einrichtung ward auch fleißig Gebrauch gemacht.

Auch in den hiesigen Ortschaften trieb das Automobilgespenst sein Wesen, das überall friedlich mit Gold reich beladene Automobile sehen wollte und die Gemüter erregte. Dass auch der Ortspfarrer mit einem Gewehrlauf auf der Straße patroullierte, war in jenen Zeiten selbstverständlich. Nicht lange dauerte es und die wildesten Gerüchte vom Kriegsschauplatz gingen von Mund zu Mund, bei vielen eine tiefgehende Beunruhigung verursachend: ganze Regimenter, ja ganze Divisionen sahen sich nach jenen Gerüchten aufgerieben; es wurde nicht unterlassen, ernstlich vor einer solchen Beunruhigung der Gemeinde durch falsche Gerüchte zu warnen.

Zu den Sonntagspredigten wurden zu Anfang des Krieges häufig freie Texte gewählt, die der damaligen Zeit gemäß waren; auch die Christenlehren waren auf die Kriegsereignisse eingestellt; mit ernsthafter Anteilnahme folgten die Schüler der Besprechung von Kriegsereignissen oder geeigneten Feldpostberichten von Gemeindegliedern. Natürlich fehlten auch in der hiesigen Pfarrgemeinde die Kriegstrauungen nicht. Wiederholt kamen Kriegsflugblätter aus dem Verlag des Rauhen Hauses innerhalb der ganzen Gemeinde zur Verteilung; an Weihnachten 1914 erhielten sämtliche Schulkinder eine besondere Gabe in einer Neujahreskriegsschrift bestehend

Im Schulunterricht gab es zunächst keine wesentliche Störung, sofern die beiden verantwortlichen Lehrer in Kirchfarrnbach und HIrschneuses als unabkömmlich auf ihren Stellen belassen wurden. Im Sommer 1916 erfolgte aber auch ihre Einberufung. Sowohl in Kirchfarrnbach wie in Hirschneuses mussten Aushilfskräfte ernannt werden. Mit größter Bereitwilligkeit versahen eine Zeit lang mangels jeglicher Aushilfe um der Sache willen Pfarrer und Pfarrfrau den Organistendienst. Nur kurz seien an dieser Stelle auch die militärischen Verhältnisse des Verfassers erwähnt, der sich als Ersatzreservist im Frühjahr 1915 einer Musterung unterziehen musste, woher er dem Sanitätspersonal überwiesen wurde. Von seiner Gemeinde wurde er jedoch für unabkömmlich erklärt.

Der Einfluss des Krieges auf das kirchliche Leben zeigte sich nach außen zunächst in einer Steigerung der Besucherzahl der Gottesdienste sowie einer Zunahme der Kommunikantenziffer; dazu kam auch eine größere Opferwilligkeit besonders für Kriegszwecke. Viele Opfer galten als Dankopfer für gnädige Bewahrung. An Hand der Tabellen ergibt sich folgendes Bild:

1. Klingelbeuteleinlagen, wobei die Abwesenheit der Kriegsteilnehmer in Betracht zu ziehen ist:
1913 = 147M
1914 = 155M
1915 = 146M
1916 = 141M
1917 = 156M
1918 = 218M

2.Kommunikanten:
1913 = 988
1914 = 1064
1915 = 1804
1916 = 977
1917 = 963
1918 = 966

3.Gaben auf den Kopf:
1913 = 89Pf
1914 = 66Pf
1915 = 61Pf
1916 = 76Pf
1917 = 92Pf
1918 = 1M 82Pf

Die Tatsache kann nicht geleugnet werden, dass sich so manche Gemüter auch innerlich erfasst fühlten; viele sahen erfüllt, was man in früheren Zeiten oft genug hören konnte: „Es muss wieder einmal ein Krieg kommen, denn so können die Dinge nicht mehr weitergehen." Eine Äußerung, die gerade durch das Schwinden von Glaube und Gottesfurcht hervorgerufen wurde. Allenthalben zeigte sich am Anfang der Kriegszeit auch in der hiesigen Gemeinde ein erfreulicher Ansatz zu einem Aufschwung religiösen Lebens, der zum Teil seine Ursache auch in der Erkenntnis eigener Sünde und Schuld sucht: „Wir haben es verdient", so sagte eine Ehefrau bei der Einberufung ihres Mannes. Gottvertrauen und ein regeres Gebetsleben waren vielfach die Kennzeichen der damaligen Zeit. Gerne verzichtete man da, wo unsere Soldaten bluteten, auf Freuden und Vergnügen, wie sie z.B. bei Kirchweihfesten üblich waren.

In vielen Fällen wurde das Pfarrhaus als Mittel der Beratung und Hilfe aufgesucht; insbesondere wurde die Hilfe des Pfarrers auch für zahlreiche Gesuche in Anspruch genommen. Kam irgend eine beunruhigende Nachricht vom Feld, so wurde sie alsbald dem Pfarrer gemeldet. Auch zu vielen anderen Dingen war der Dienst des Pfarrers begehrt, nicht ohne dass derselbe auch gerne geleistet wurde. Galt es hier für die Kriegsanleihe zu werben oder zu ermuntern, das Gold zur Kriegsbank abzuliefern, der Pfarrer stand mit an erster Stelle, um dafür zu werben. Ebenso wirkte er auf die Bevölkerung ein, durch rege Spenden sich an den verschiedenen Sammlungen wie für das rote Kreuz, Ludendorf den A: Brotspende, Opfertage etc. zu beteiligen. Recht unbedenklich war die an den Pfarrer von seitens des Bezirksamts gestellte Zumutung, gewissermaßen als Kontrollorgan über den Aufkauf von Lebensmitteln (Eier und Butter) zu fungieren.

„Wenn nur der Feind nicht ins Land kommt", mit diesem Wunsch suchten sich viele in der Heimat über die lange Dauer des Krieges zu trösten; daneben konnte man die merkwürdigsten Vorschläge hören, um das Kriegsende allmählich herbeizuführen; so glaubte man, den Krieg wie einen Kuhhandel durch gegenseitiges Feilschen zu Ende bringen zu können. Bedenklich waren schon Äußerungen wie: „Es ist doch gleich, ob wir Deutsche, Franzosen oder Engländer sinden" Der Verfasser hatte solchen Meinungen gegenüber keinen leichten Stand. Dergleichen Äußerungen veranlassten ihn, in einer besonderen, am 18. Februar 1917 zu Kirchfarrnbach veranstalteten Aufklärungsversammlung, allen falschen Meinungen entgegenzutreten. Mehr und mehr aber überwucherten Schwäche und Kleinglaube, so dass nicht zu viel behauptet wird, wenn der Verfasser erklärt, dass er mit seinen von unerschütterlicher treuen Heimatliebe getragenen Anschauungen in seiner Gemeinde schließlich völlig isoliert da standen. Die lange Dauer des Krieges war für unser Landvolk eine zu schwere Belastungsprobe, wiewohl hierzulande, soweit nicht persönliche Verluste infolge einer ernsten Nachricht in Frage kamen, der Krieg sich in den ersten Jahren in wirtschaftlicher Hinsicht nur wenig bemerklich machte.

Dass bei dem Mangel an Arbeitskräften die Ernten Jahr für Jahr glücklich heimgebracht werden konnten, war doch auch eine sichere Hilfe von oben. Zahlreich waren die Beweise gegenseitiger nachbarlicher Hilfe besonders in der angestrengtesten Zeit des Jahres; auch die Bewohner des Pfarrhauses leisteten das Ihre. Freilich fehlte es z.B. in Hirschneuses auch nicht an bitteren Klagen über das Versagen nachbarlicher Beihilfe. Hier konnte man auch das Wort hören: es würde nicht schaden, wenn der Feind ins Land käme; mit diesem Wort soll das geringe Maß an Einfluss charakterisiert werden, den namentlich in Hirschneuses der Krieg auf einzelne Gemüter ausübte.

Als die Preise für Lebensmittel anderwärts allmählich in die Höhe gingen, konnte man sich zunächst nicht genug darüber wundern; man empfand eine gewisse Scheu, die gleiche Summe, die man als Kundengeld bezeichnete, zu fordern. Später ward diese Scheu überwunden. Auch in das entlegendste Dorf kamen die Hausierer, von welchen sich der Bauer in seiner Habgier die höchsten Preise bezahlen ließ; jene waren ja auch zu allem bereit. Der Ablieferungspflicht von Brotgetreide und dergl. wurde teilweise nur mangelhaft genügt. Der Geldüberfluss brachte es mit sich, dass die Beteiligung an der Zeichnung für die Kriegsanleihen sich mehr und mehr steigerte, besonders verdienen die Zeichnungen der Kinder in den einzelnen Schulen erwähnt zu werden; auch die Zeichnungen des Darlehenskassenvereins Kirchfarrnbach waren nicht unbedeutenden

Die beispiellosen Erfolge der deutschen Heere auf dem Kriegsschauplatz im Frühjahr 1918 verursachten noch einmal ein Aufflackern der Stimmung. Mancherlei Beobachtungen aber an den jungen Rekruten ließen im Laufe des Januars 1918 den Verfasser zu der Überzeugung kommen, dass wir mit einem solchen Soldatenmaterial den Krieg nie gewinnen werden. Die einzelnen Phasen der Stimmung der hiesigen Landbewohner sind wohl am besten mit folgenden Worten gekennzeichnet: anfangs würdiger Ernst und Entschlossenheit, mit der man den kommenden Ereignissen und dem baldigen siegreichen Ausgang des Krieges entgegenblickte, infolge der langen Ausdauer des Krieges allmähliches Nachlassen des Interesses an den Kriegsereignissen, dann weiter Gleichgültigkeit und Stumpfheit, die schließlich den Zusammenbruch mitfördern halfen.

Der Chronist war sich von Anfang an im Klaren über den furchtbaren Ernst der Lage und doch mit einem unerschütterlichen Vertrauen auf ein gutes Ende beseelt. Freilich war dieses Vertrauen u.A. auch an die Bedingung geknüpft, dass alle Volkskreise, sich des Ernstes der Lage bewusst, alles aufbringen werden, das Ihre zur Rettung des schwerbedrohten Vaterlandes zu tun. Das war für den Verfasser wie für andere wohl die größte Enttäuschung, dass unser Volk im großen und ganzen diesen Erwartungen nicht entsprach. Man hat weder die Lage richtig erkannt, noch alles aufgeboten, um durchzuhalten. Was Deutschlands Feinde von Anfang an erhofften, die Saat des Umsturzes, der seit Jahrzehnten an dem Marke unseres Volkes zehrte, war aufgegangen und führte zum Ruin unseres einst so blühenden Vaterlandes. Nur mit tiefem Schmerz kann der Verfasser des Niederganges und Sturzes seines Volkes gedenken, nicht ohne den Glauben an den Wiederaufstieg Deutschlands in späteren Zeiten.


Nachtrag

Am Nachmittag des Sonntags Cantate, den 29. April 1923, fand nach vorausgehendem Gottesdienst die Einweihung des Kriegerdenkmals zu Dürrnfarrnbach statt. Die Kosten hierfür wurden durch die dortigen Ortseinwohner aufgebracht.

Die Ehrentafel in der hiesigen Pfarrkirche wurde im Vormittagsgottesdienst des Sonntags Exaudi, den 13. Mai 1923 unter Mitwirkung des Posaunenchors enthüllt. Der Altarrede lag Joh. 15.13 zu Grunde. Die Tafel ist ein Werk des Graphikers Willi Bauer von Emskirchen (Pfarrerssohn). Die Kosten 164 000 M wurden durch freiwillige Spenden namentlich der Angehörigen der Gefallenen bestritten.

Das zu Kirchfarrnbach stehende Kriegerdenkmal ist von dem Maurermeister Ittner in Wilhermsdorf errichtet; die Figur stammt von dem Architekten Walther Franke in Nürnberg. Auch der Einführung dieses Denkmals ging ein nachmittäglicher Gottesdienst voraus; es war dies am 15. Sonnt. n. Trinit., den 9. Sept. 1923.

 
 
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