Jagdfrevel (2. Teil)

         
   

Ins Rollen gekommen war dieser Prozess durch eine Anzeige, die der Forstwart Johann David Döllner des Königlichen Forstamtes Neustadt/Aisch aus dem Sprengel Wilhermsdorf am 2. September 1848 in schriftlicher Form einreichte. In diesem Schreiben schildert er seine Beobachtungen und auch sein Eingreifen. Und das lässt sich so wiedergeben:

Als er am Tag vorher, also am 1. September 1848, aus seinem Stubenfenster schaute, musste er mit Erstaunen feststellen, dass zwei Männer auf den Feldern vor dem Dorf nach etwas suchten. Sie kamen ihm sofort verdächtig vor, denn beide trugen Gewehre unter dem Arm. Sie waren geladen, wie sich später herausstellen sollte. Der Forstwart schnappte sein Gewehr, überzeugte sich, dass es geladen war und rannte in die Richtung, in der er die beiden gesehen hatte. Einer von ihnen, Böhm, machte sich sofort aus dem Staub. Der Forstwart hatte ihn aber noch erkennen können. Der andere, offenbar der dreistere von ihnen, machte keinerlei Anstalten, die Flucht zu ergreifen, sondern tat, als ob er angestrengt weitersuche und den nahenden Forstwart gar nicht wahrnähme.

Erst als dieser sich neben ihm aufgebaut hatte, sein Gewehr in Anschlag gebracht hatte und ihn anschrie, nahm er Notiz von ihm: "Was suchst du da?" "Meine Katze", kam schnell und knapp die Antwort. "Sie treibt sich dauernd auf den Äckern herum und findet nicht mehr heim."

Der Forstwart, der ihm natürlich kein Wort glaubte, packte dessen Gewehr am Schafft und versuchte es ihm abzunehmen. Es entstand ein Gerangel. Aber da er seine eigene Flinte - geladen und mit gespanntem Hahn - in der linken Hand hatte, konnte der Wilderer sich losreißen und bedrohte dann den Forstgehilfen seinerseits mit dem geladenen Gewehr. "Schieß nur!" schrie er aus Verzweiflung, "schieß nur, wenn du einen Mord begehen willst!" Der besann sich jedoch augenblicklich, senkte den Lauf, ging einige Schritte, schoss in die Luft und eilte in Richtung Dorf davon.

Der Forstwart suchte nach frisch geschossenem Wild, fand jedoch nichts.
Schon lange hatte sich herumgesprochen, dass der Georg Simon auf alles schoss, was ihm vor die Flinte lief. Er wurde auch immer frecher, verbarg nicht einmal mehr sein Gewehr, wenn er aus dem Dorf hinausging und prahlte sogar oftmals mit den schönen Stücken, die er sich wieder geholt hatte.

Wildfrevel wurde in der Regel in den vergangenen Jahrhunderten hart bestraft, denn: das Wild gehörte der Obrigkeit, somit war die Jagd auch deren ausschließliches Privileg. Anmaßung und Rütteln am Obrigkeitsstaat war die Wilderei obendrein!

Zurück aber zu unserem Wilderer. Was war der Georg Simon eigentlich für ein Mensch? Warum wurde er so dreist in jener Zeit, als er durch den Förster angezeigt wurde? Ob die Leute im Revolutionsjahr 1848 wohl glaubten, nun sei mit den alten Rechten, mit der alten Ordnung ein Ende gekommen? Nun könne man endlich einmal ungestraft all das tun, was einem immer strengstens verboten war?

Georg Simon war ein Mensch, der sich laut Leumundszeugnis "mit allerlei Beschäftigungen" mal hier, mal dort seinen Lebensunterhalt verdiente. Er war halt ein armer Tagelöhner, stammte aus dieser Schicht der Dorfarmut und wird als eine "Art Vielkünstler" bezeichnet, der keiner geregelten Arbeit nachgehen konnte. Er wohnte bei seiner Mutter, die ein kleines Häuschen und etwas Feld besaß, die aber auch ziemlich verschuldet gewesen sein soll. Des öfteren habe er wohl schon auf Vögel oder herumstreunende Katzen geschossen, er soll aber nach Aussagen mehrerer Leute aus seiner Umgebung nie auf der Jagd gesehen worden sein.

Wie Pech und Schwefel hielten hier alle zusammen. Wie eine fest verschworene Gemeinschaft traten sie dem Richter gegenüber. Einer deckte den anderen, weil viele von ihnen selbst Wilderer waren, wie aus Zeugenaussagen zum Ausdruck kommt. Nur ganz wenige Leute hatten den Mut, gegen die Wilddiebe auszusagen. Mancher von ihnen bat den Landrichter, die Aussage nur ja vertraulich und geheim zu halten: "...kann ich den Wunsch nicht unterdrücken, dass meine Aussage dem Mohr nicht bekannt würde, da er ein gefährlicher Mensch ist und mir auf meinen vielen Geschäftsgängen, von denen ich nachts zurückkomme, leicht etwas antun könnte."

Der Landrichter aber begnügte sich nicht mit den wenig überzeugenden Aussagen gegen die Wilddiebe. Er ordnete eine Hausdurchsuchung im Haus des Georg Simon Mohr und auch bei anderen Verdächtigen an, wobei zum Beispiel in der Wohnstube des Georg Simon eine alte Flinte "mit einem neuen Ladstock und Steinschloss" gefunden wurde, "dessen Zündpfanne vom Dienst noch etwas geschwärzt und daher noch nicht lange abgeschossen zu sein scheint." Auf der Bettstatt in der Wohnstube fand man ein Stück von einem alten Gewehrlauf. Ein neues, leichtes Jagdgewehr kam zum Vorschein, als die Polizei einen Kasten in seiner Kammer gewaltsam aufbrach. Auch dieses moderne Gewehr mit einem "Percussionsschloss" musste erst kürzlich abgefeuert worden sein, denn der Lauf war innen noch schwarz.

   
   
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