Zwischen Wirtshaus und Bibel
Vom kleinen Aufstand der Frauen in einem Dorf
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  Da geht es dann hoch her im kleinen Gemeindesaal. Der Pfarrer weiß, dass er sich in dieser halben Stunde nicht blicken lassen darf. Es geht ihn schließlich nicht alles an, was die Frauen untereinander bereden. Und wenn es auch nachher in der Bibelstunde meist recht munter zugeht, so viel Leben wie in der halben Stunde zuvor ist nicht mehr in der Frauenrunde.

Für die Männer einen eigenen Männerabend

Es gibt im 700-Seelendorf die Bibelstunde, dazu kommen nur die Frauen. Ein Mann hat sich dort, trotz wiederholter Einladung, noch nicht blicken lassen. Inzwischen gibt es aber für die Männer, die bisher ihre Abende, wenn nicht zu Hause, sondern nur im Wirtshaus verbracht haben, einen eigenen Männerabend, von der Kirche eingerichtet. Und dorthin gehen nun die Männer.

Der Pfarrer, der zuvor auf mehr Gemeinschaft zwischen Frauen und Männern gesetzt hat, ist gar nicht unglücklich über diese Entwicklung. Die Frauen reden mehr und offener, wenn sie untereinander sind und bei den Männern ist es ähnlich. Auch wenn Mann und Frau zu Hause den kleine Hof bewirtschaften, ist es nicht so, dass sie nur die gleichen Sorgen und Interessen haben.

Die meisten Männer fahren früh zur Arbeit weg, kommen erst am Abend wieder, während die Frauen tagsüber den Hof und das Haus alleine versorgen. Das sind ganz unterschiedliche Lebensformen von Frau und Mann in ein und demselben Haus. Und darum ist es den Frauen und Männern im Dorf auch recht, dass die Kirche ihnen jeweils eigene Gesprächsgruppen bietet.

Von den mutigen Frauen, die das Wirtshaus für sich erobert haben, hat keine Interesse daran, den Männerabend der Kirche zu stürmen. Die Frauen gönnen den Männern ihren Abend wie die Männer den Frauen seit Jahr und Tag ihre Bibelstunde gegönnt haben. Aber das Wirtshaus überlassen die Frauen den Männern nicht wieder. Von der Maßkrug stemmenden Männermacht, wie sie den Frauen im Dorf seit Jahrhunderten vorexerziert worden ist, lassen sie sich nicht mehr so leicht etwas vormachen. Aus dem Gastrecht der Frauen im Wirtshaus ist so etwas wie ein Hausrecht geworden.

Noch hat das in den Dörfern der Umgebung nicht Schule gemacht. Aber in Kirchfarrnbach selbst ist der Frauenstammtisch nach drei Jahren nun schon fast zur Tradition geworden. Wenn die Frauenrunde im Wirtshaus so richtig in Fahrt gerät, wenn die Bibel zwar nicht vergessen, aber doch ein wenig in den Hintergrund gerückt ist, dann verschlägt es den Männern immer noch manchmal die Sprache. Nicht, weil die Frauen so sehr lose Reden führen, sondern, weil die Männer fürchten etwas zu verpassen, wenn sie nicht alles mitkriegen, was am Frauentisch gesprochen wird. Es könnte ja über Männer gesprochen werden. Wer weiß? Zu schade, wenn es sich da doch nicht gelohnt hat, die Ohren zu spitzen und selbst verstummt zu sein. Der eine oder andere Mann übertönt dann das peinliche Schweigen an seinem Tisch und erzählt: Die Frauen haben zu Hause ja nichts zu sagen, da müssen sie eben jetzt ihren Mund weit aufreißen.

Von den Frauen erntet so ein tapferer Held nur müdes Gelächter. Sie lassen sich von solchen Männerkommentaren nicht mehr aus ihrer Ruhe und aus der Stimmung bringen.

 

Aber daran waren nicht die Frauen schuld, nur das Bier

Dass die Frauen eines Tages die Männer ganz aus dem Wirtshaus vertreiben könnten, das befürchtet niemand im Dorf. Es ist schließlich erst ein einziges Mal vorgekommen, dass alle Männer das Wirtshaus verlassen haben, während die Frauen dort alleine geblieben sind. Aber daran waren nicht die Frauen schuld, nur das Bier.

Die Frauenrunde war guter Stimmung, hat sich nach der ersten Radlermaß noch eine zweite bestellen wollen. Doch der Wirt schien nicht zu hören. So peinlich es ihm war, er musste schließlich passen. Es war kein Bier mehr im Haus.

 
     
 
     
 

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