1.
Besondere kirchliche Veranstaltungen
Es
war der 31. Juli 1914; auch dieser Tag führte den
Verfasser nach Wilhermsdorf, um dort die neuesten Nachrichten
zu erfahren. „Wie steht’s, Herr Pfarrer?"
so hörte er sich auf dem Rückweg in der Nähe
Dürrnfarrnbachs angerufen. „Wieder etwas schlechter;
Russland hat die allgemeine Mobilmachung angeordnet",
war die Antwort. „Hier lesen Sie selbst das Neueste."
Feuchten Auges nahm der Bauer, dessen beide Söhne
militärpflichtig waren, das dargereichte Zeitungsblatt
in die Hand und las. „Gottlob, dass wir ein tüchtiges
Heer haben; wie nötig war doch die Wehrvorlage; nun
sieht man, dass das Geld für diesen Zweck nicht umsonst
war." „Noch mehr hätte man zahlen müssen",
mischte sich die Bäuerin in das Gespräch. -
Merkwürdig - die Genannten hatten als die Höchstbesteuerten
einen bedeutenden Wehrbeitrag zu entrichten.
Der
Abend brachte die Verhängung des Kriegszustandes.
Erregt eilten die Leute aus den Häusern, als zu so
ungewohnter Zeit die Gemeindeglocke erscholl; alle erkannten
den Ernst der Lage.
Vierundzwanzig
Stunden später - am Abend des 1. August - es war
ein Samstag, erfolgte der Mobilisierungsbefehl; tiefer
Ernst
prägte sich in den Mienen aus. In vielen Augen standen
die Tränen.
a Die Gottesdienste nach der Kriegserklärung
und am allgemeinen Buß- und Bettag (2. u. 9. Aug.)
Am
folgenden Sonntag (8. n. Trinit.) hatte der Chronist im
Filial Hirschneuses zu predigen; der vorgeschriebene Text
war Apgsch.16.16-32. Die betreffende Predigt wurde nicht
gehalten; soweit die Zeit reichte, wurde eine Predigt
über Psalm 46 entworfen; ebenso wurde für Sonntag
Nachmittag ein Uhr in Kirchfarrnbach, wo sonst an den
Filialtagen kein Gottesdienst stattfindet, Predigtgottesdienst
angesetzt. Hier wie dort war die zahlreich versammelte
Gemeinde tief bewegt.
Gleiches
gilt von der Feier des am darauffolgenden Sonntag dem
9. August veranstalteten Buß- und Bettags mit dem
Predigttext Jer. 9.22-23. Wie andernorts so wirkte auch
in der hiesigen Gemeinde die Kriegsnot auf die Gemeinde
ein und verursachte eine unverkennbare anhaltende Steigerung
des Besuchs der sonntäglichen Gottesdienste sowohl
am Vor- wie Nachmittag.
b Kirchliche Verabschiedung der abrückenden
Soldaten und seelsorgerlicher Verkehr mit ihnen während
des Feldzuges (Briefe, Sonntagsblätter etc.)
Die
Anordnung von Abendmahlsfeiern zur kirchlichen Verabschiedung
der abrückenden Soldaten in der ersten Kriegswoche
kam einem allgemeinen Bedürfnis entgegen. Meist nahmen
auch die Frauen der betroffenen Kriegsteilnehmer, welchen
der Chronist bei der Feier des heiligen Abendmahls die
Hand zum Abschied reichte, an der Feier teil. Auch von
anderen Gemeindegliedern wurden diese Gottesdienste besucht.
a.
Kirchfarrnbach
d. 4.Aug. = 38 Kommk. 20 männl. 18 weibl.
d. 5.Aug. = 32 Kommk. 21 männl. 11 weibl.
d. 9.Aug. = 15 Kommk. 8 männl. 7 weibl.
b. Hirschneuses
d. 7.Aug. = 17 Kommk. 10 männl. 7 weibl.
___________________________________________
i.S. = 102 Kommk. 59 männl. 43 weibl.
Unter
den Kommunikanten befanden sich auch einige Rekruten des
Jahrgangs 1914. Etliche Kriegsteilnehmer, die später
als Leichtverwundete in der Heimat weilten, empfingen
bei den üblichen Herbstbeichten das heilige Abendmahl.
In
der Folgezeit entwickelte sich zwischen Soldaten und Geistlichen
ein reger Briefwechsel. Jeder Gruß aus dem Feld
wurde erwidert, zunächst mit einem Brief, sodann
mit Karten. Das seelsorgerliche Moment wurde nirgends
außer Acht gelassen. Als Karten wurden solche mit
Spruchvordruck aus dem Verlag des Rauhen Hauses verwendet.
Auch mit den in der Garnison Weilenden wurde korrespondiert.
Einzelne Feldzugssoldaten abonnierten auch das bayerische
Sonntagsblatt. Die Abonnenten in der Heimat wurden von
der Kanzel aus ermahnt, den Ihrigen das Sonntagsblatt
ins Feld nachzusenden. Auch neue Testamenti wurden begehrt.
Bei Gelegenheit wurden auch Blätter wie das bayerische
Diasporablatt oder Flugblätter des Vereins für
innere Mission übersandt, ebenso erhielt jeder Soldat
Gebetslieder als Mitgabe in den Feldzug bzw. das Feldgebetbüchlein
für Soldaten sowie zu Weihnachten 1914 "Im Krieg"
Gruß aus der Heimat aus dem Verlag von Perschmann
in Würzburg. Alle Sachreichen und Gaben wurden stets
mit großem Dank entgegengenommen, der namentlich
bei den zahlreichen Besuchen zum Ausdruck kam, mit welchen
der Chronist durch Feldurlauber erfreut wurde; kaum dass
es einer versäumt hätte, sich während des
Urlaubs im Pfarrhause sehen zu lassen.