Die
letzten Kriegstage in der Gemeinde Dippoldsberg
Dieses
Fragen nach dem Sinne der Opfer dürfte noch durch
die letzten Maßnahmen vor dem Ende des Krieges,
durch die Regierung des Dritten Reiches, die noch den
letzten möglichen Kämpfer erfassten und einsetzen
wollte, verstärkt worden sein. Über diese
Maßnahmen kann man im Dok. Nr. 85 (1) lesen, ...
Als ich 14 Jahre alt war, kam zu einem dieser Appelle
(gemeint ist der vierwöchentlich stattfindende
Appell der Hitlerjugend in Wilhermsdorf - der Verfasser)
in Wilhermsdorf ein Offizier der Wehrmacht. (Die HJ
von Dippoldsberg und Meiersberg war dem Fähnlein
bzw. der Gefolgschaft Wilhermsdorf als Jungenschaft
bzw. Kameradschaft angeschlossen - der Verfasser). In
seinen Schilderungen verherrlichte er das Soldatenleben
und wies darauf hin, dass die Landesverteidigung notwendig
und eine Ehrensache sei. Darauf forderte er uns auf,
uns freiwillig für den Kriegsdienst zu melden.
(2) Dies gelang ihm auch zum großen Teil. Viele
meldeten sich damals zur berühmten SS-Panzerdivision
"Hitlerjugend" (gemeint ist die 12. SS-Panzerrdivision,
die vornehmlich in der Normandie und später dann
in den Abwehrkämpfen im Westen den Westalliierten
härtesten Widerstand entgegensetzte - der Verfasser);
um diese Zeit wussten wir schon um die harte Kampfweise
der Waffen-SS. Ich meldete mich zur Luftwaffe. Diejenigen
unter uns, die sich nicht freiwillig zum Kriegsdienst
meldeten, wurden damals schon etwas verachtet."
Auch
nach der Schaffung des deutschen Volkssturmes im Oktober
1944 von dem Dok. Nr. 82 (3) erzählt: "Gründet
im Herbst 1944 und vereidigt im Sonnensaal (in Wilhermsdorf
- der Verfasser). Der Kompanieführer des Volkssturms
war der Lagerhausverwalter Sieber; sein Stellvertreter
Hauptlehrer Schaffner aus Wilhermsdorf," vergaß
man der noch in der Heimat verbliebenen Jugendlichen
nicht. Davon lässt Dok. Nr. 85 (4) uns erfahren:
"Ende 1944 wurde der Jahrgang 1929 in die Hitlerjugend
- der nächsthöheren Organisation - übernommen.
Von da an mussten wir - wie die Männer des Volkssturms
- mit den Volksstürmlern nachts die Ortswache übernehmen.
Eine Nachtwache dauerte zwei Stunden."
So
lastete drückend die Sorge um die Zukunft, um den
Ausgang dieses so harten und grausamen Krieges auf der
Bevölkerung der Gemeinde Dippoldsberg. Alles wurde
nun auch von der Heimat gefordert!
Als
dann die Front im März 1945 sich der fränkischen
Heimat näherte, kam noch eine Last, die es zu ertragen
galt, hinzu. Dok. Nr. 85 (4) weiß darum: "Anfangs
März 1945, die Front näherte sich unserem
Heimatgebiet rasch, bekamen ich und viele andere - ich
war 15 Jahre alt - den ersten Einrückungsbefehl
in ein Wehrertüchtigungslager. Dies war in Scheinfeld.
Hier wurden wir in Schnellausbildung an sämtlichen
Handfeuerwaffen (Panzerfaust, Sturmgewehr 44, Handgranaten
etc.) ausgebildet. Dieser Lehrgang war mit einer erneuten
"Freiwilligenkampagne" verbunden. Diejenigen,
die sich zur Infanterie meldeten oder mussten, wurden
nicht mehr entlassen. Hingegen die Freiwilligen, die
sich zu einer anderen Waffengattung gemeldet hatten,
konnten noch einmal nach Hause."
Der
Berichter aus dem Dok. Nr. 85 kam eine Gemeinde zurück,
die sich rüstete, den Feind zu empfangen und diese
Tage zu überleben. Unruhe erfüllte die Bevölkerung.
Was tun war die Frage, die bang im Raume stand. Fern
hörte man schon das Grollen der Front, das ständig
näher kam. - Was tun?
Der Einsatz der Volkssturmmänner aus der
Gemeinde Dippoldsberg
In
diese Spannung und Bangigkeit vor der ungewissen Zukunft
platzte die Alarmierung der Volkssturmmänner am
5. April 1945 durch die Leitung der Volkssturmkompanie
aus Wilhermsdorf (5). Lassen wir doch besser Dok. Nr.
82 erzählen (6): "Wir wurden am 5. oder 6.
April 1945 alarmiert. Treffpunkt war das Rathaus in
Wilhermsdorf. Von dort: Abfahrt nach Emskirchen mit
einem Traktor der Firma Höpfner und Schamberger
(Lagerhaus in Wilhermsdorf - der Verfasser). In Emskirchen
bekamen wir Gewehre und mussten dann den Marsch nach
Neustadt (Aisch) antreten. Im Arbeitsdienstlager dortselbst
bekamen wir ein Nachtquartier. Am anderen Tage marschierten
wir durch Neustadt (Aisch) zum Einkleiden. Unser Marsch
ging in Richtung Bahnhof. Während des Einkleidens
wurden wir im Hofe des Gebäudes mit Spreng- und
Brandbomben (der US-Luftwaffe, denn diese flog in süddeutschen
Raum in diesen Tagen Einsätze gegen uns - der Verfasser)
belegt. Die Folge war entsetzlich: Mein Nachbar Brunner,
Lehrer Reiß (der damalige Lehrer an der einklassigen
Volksschule zu Dippoldsberg - der Verfasser) von hier,
von Wilhermsdorf ein Mann, von Siedelbach zwei, von
Bräuersdorf der Gastwirt und noch einer vom Aischgrund
sind dort gefallen (7). Abends wurden wir wieder heimgeschickt.
Ich trug eine leichte Gehirnerschütterung davon.
Deshalb ging ich am anderen Tag nicht wieder nach Neustadt
(Aisch), obwohl ein Befehl vorlag."
Nun,
die Front näherte sich in diesen Tagen Uffenheim
und es war abzusehen, wann sie das Gebiet der Gemeinde
Dippoldsberg erreichen würde. Daher rüstete
sich die Bevölkerung im Gemeindebereich den Tag
"X" überleben zu können. Dass er
nicht mehr weit entfernt war, das konnte man auch daran
erkennen, dass schon seit Ende März 1945 von den
staatlichen Erfassungsbehörden keine Naturalien
eingesammelt, geschweige denn abgeholt wurden. Deshalb
kann Dok. Nr. 82 (6) berichten:
"...
Da in den letzten drei Wochen vor der Besetzung durch
den Feind keine Eier mehr abgeliefert wurden..."
und dass der Verkehr der öffentlichen Verkehrsmittel
fast gänzlich - wegen der absoluten Beherrschung
des Luftraumes durch die Flieger der alliierten Luftwaffe
- zum Erliegen gekommen war.
Die Sicherung des Überlebens
Sie
war geprägt von drei Faktoren:
1.
Schaffung eines Schutzraumes um eventuell Feindeinwirkungen
entgehen zu können.
Dies
war in den letzten Kriegstagen im Wesentlichen keine
Frage, denn schon lange zuvor hatte man - wegen eventueller
Luftangriffe - sich den Hauskeller, den Felsenkeller
oder am Ortsrande einen Bunker als Luftschutzkeller
oder Luftschutzbunker her- und eingerichtet.
Anders
lagen die Dinge bei der Sicherung der weiteren Versorgung
mit Nahrungsmitteln, Bekleidung und anderem Notwendigen.
2. Vorsorge für das leibliche Wohl
Hier
musste von der Bevölkerung damit gerechnet werden,
dass durch eventuelle Feindeinwirkungen ein längeres
Leben außerhalb der gewohnten Behausung notwendig
würde oder dass durch Plünderungen, Brandschatzungen
größere Schäden entstünden. So
war es nicht verwunderlich, wenn die Bevölkerung
unserer Gemeinde daran ging, Nahrungsmittel, Bekleidungsstücke
und Bettwäsche vor eventueller Feindeinwirkungen
zu schützen. Deshalb begann man in der Woche vor
dem 15. April 1945 Nahrungsmittel sicherzustellen indem
man sie "ständig im Keller" wie Dok.
Nr. 69 weiß, oder "im Garten vergraben"
hatte, wie Dok. Nr. 83 versichert. Bezüglich der
Aufbewahrung von Nahrungsmitteln wird Dok. Nr. 87 genauer,
wenn es zu berichten weiß: "Eingraben von
Fleisch im Garten" (8). Wenn auch verschiedene
Dokumente eine Sicherstellung von Nahrungsmitteln verneinen
(9), so ist doch anzunehmen, dass man intensiv sich
auf die Zeit nachher und für die Zukunft vorbereitete
und im wesentlichen nicht so leicht verderbliche Nahrungsmittel
an sicheren Orten vergrub oder lagerte. Wenn auch in
den Fragebögen nicht immer die Lagerstellen aufgeführt
wurden. Diese Annahmen berechtigen die Aussagen der
Dokumente Nr. 70, 71, 74, 76, 79, 84 und 94.
|