Sicherlich
hatten davon Kenntnis alle Bürgermeister in diesem
Gebiete. Der Funkspruch hat, im Auszug, folgenden Wortlaut
(56): "... RFSS hat befohlen:
1.
Im jetzigen Zeitpunkt des Krieges kommt es einzig und
allein auf den sturen, unnachgiebigen Willen an zum
Durchhalten.
2.
Gegen das Heraushängen weißer Tücher,
das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren,
das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen
ist mit härtester Maßnahme durchzugreifen.
3.
Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint,
sind alle männlichen Personen zu erschießen.
Es darf bei diesen Maßnahmen in keinem Augenblick
gezögert werden.
Der
Kommandeur der Ordnungspolizei beim Regierungspräsidenten
Tgb. Nr. 49/45 KdO-VS
v. BdO Main Regensburg, den 3. April 1945."
Nur
wer diese beiden Faktoren kennt, mag ermessen, was es
für einen Bürger oder Bürgermeister in
diesen Tagen hieß, zu versuchen unsere Truppen
"zum Rückzug zu bewegen, damit unsere Ortschaft
nicht im letzten Augenblick noch ein Opfer der Verwüstung
und Zerstörung würde."
Inzwischen
lag ungeheuere Spannung über der Ortschaft. Die
Bürger Dippoldsbergs sahen von Eschenbach kommend
die US-Panzer durch den Zenngrund manöverieren
(57). Dies, der beginnende Panzerbeschuss (58) und die
ersten Schüsse (59), veranlassten die Führung
des Volkssturms (Dok. Nr. 91) die deutschen Soldaten
(Dok. Nr. 89) oder die Nachbarn (87) den Panzeralarm
auszulösen oder die Auslösung des Panzeralarms
als gegeben zu erachten. Dies geschah gegen Mittag des
16. April 1945 in Dippoldsberg. Bisher hatte die Mission
des Bürgermeisters Fischer gegenüber den deutschen
Soldaten keinen Erfolg, denn sonst könnte Dok.
Nr. 93 nicht aussagen (60): "Wir gingen dann gegen
Mittag (16. April 1945) in den Bunker und ließen
die deutschen Soldaten allein in unserem Haus zurück."
Die
Auslösung des Panzeralarms hatte zur Folge, wie
schon erwähnt, dass sich die Bevölkerung Dippoldsbergs
in die bereitstehenden Schutzräume begab. Dies
waren u. a.:
Jm
Felsenkeller" (Dok. Nr. 81, 87, 86 und 94).
"Hauskeller" oder "Keller unter dem Haus"
(Dok. Nr. 83, 91).
"Wir suchten einen Keller auf. Als der Beschuss
unserer Ortschaft stärker wurde, verließen
wir unseren Hauskeller und suchten den Keller der jetzigen
Gastwirtschaft Kramer auf“ (Dok. Nr. 84). Von
einer anderen Möglichkeit der Schutzsuche berichten
Dok. Nr. 89: "Wir wohnten in diesen Tagen mit den
Nachbarn in einem selbstgebauten Bunker in einer Wiese
an der Ortschaft." Oder Dok. Nr. 90: „Ja,
einen eigenen Bunker im Garten." "Bunker hinter
der Ortschaft in Richtung Adelsdorf." (Dok. Nr.
92).
Fast
nirgends war nur eine Familie im Schutzraum, meistens
taten sich die Nachbarn zusammen in Gruppen und belegten
miteinander einen Keller. Wohl der am meisten frequentierte
Keller war der Felsenkeller, sonst könnte Dok.
Nr. 81 nicht berichten: „Fast die Einwohner der
halben Ortschaft. Wir hatten den Felsenkeller wohnlich
eingerichtet."
Bange
Stunden verlebten die Bürger Dippoldsbergs in ihren
Schutzräumen, zumal der Gefechtslärm im Laufe
des Tages an Stärke zunahm und man sicherlich das
schaurige Rasseln und Klirren der Panzerketten hörte.
- Und die deutschen Soldaten waren noch immer im Dorf.
Endlich verließen auch die letzten deutschen Truppen
- ohne zu kämpfen - Dippoldsberg. Dok. Nr. 93 (61)
weiß davon zu erzählen: "Vom Bunker
aus konnte wir dann sehen, dass sich unsere Soldaten
kampflos in den Wald zurückzogen. Wir atmeten auf!“
Also
hatte doch der Einsatz des Bürgermeisters Erfolg!
Um Dippoldsberg wurde nicht gekämpft. Jedoch der
Beschuss durch Panzer ließ nicht nach, so dass
auch Schäden an Häusern und Scheunen in Dippoldsberg
auftraten. So berichtet Dok. Nr. 84 folgendes (62):
"... Das Wohnhaus und der Schweinestall waren schwer
beschäftigt. Schlafzimmer und Küche waren
zerstört.
Das
Hausdach zu 60% zerfetzt. Treffer zerstörten die
Inneneinrichtung des Schweinestalls und der Holzlege."
Oder
Dok. Nr. 86 meint (63): "Gegen 10 Uhr (16. April
1945) wurde unser Dorf von amerikanischen Panzern beschossen.
Ein Blindgänger lag am Abend in unserer Scheune.
Er hat nur ein Loch durch die Mauer gerissen."
Und Dok. Nr. 94 erzählt (64): "... Fenster
und Türen waren zerschossen."
Gegen
Nachmittag verstummte der Kampflärm zunehmend,
so dass die Bürger Dippoldsbergs ihre Schutzräume
verließen. Es war so die Zeit zwischen 15 und
17 Uhr. In diesem Zeitabschnitt besetzen die US-Truppen
an diesem Tage Dippoldsberg und die Dippoldsberger kamen
somit zum ersten Male in ihrem Leben mit US-Soldaten
zusammen. Mannigfaltig sind die Umstände unter
denen unsere Gemeindebürger das erste Mal US-Truppen
ansichtig wurden. Aber lassen wir doch besser die Augenzeugen
selbst erzählen:
Dok.
Nr. 87: "Am 16. April 1945. Truppen durchkämmten
das Dorf."
Dok. Nr. 84: "Am 16. April 1945 um 16.30 Uhr, als
die Amis nach schweren Kämpfen die deutschen Verbände
zwischen Wilhermsdorf und Meiersberg aufgerieben hatten."
Dok. Nr. 88: "Wir verließen unsere Anwesen
nicht und standen im Hof, als die ersten Panzer auffuhren."
Dok. Nr. 81: "Am 16. April. Durch den hinteren
Hofeingang betraten vier amerikanische Soldaten den
Hof, während ein Offizier mit vorgehaltener Pistole
auf mich zukam."
Dies
geschah alles zu der Zeit, da der Bürgermeister
Fischer (65) die Gemeinde Dippoldsberg den US-Truppen
übergab.
Hier
verlief die erste Begegnung mit den US-Truppen weitaus
robuster und spannender. Lassen wir doch die Worte der
Dok. Nr. 93 auf uns wirken (66): "Gegen 15 Uhr
verließen wir unseren Bunker und kehrten zu unserem
Anwesen zurück. Dort vor der Haustür begegneten
wir dem ersten Ami. Gleich begann das Verhandeln; denn
in unserem Hof lag ein deutscher Soldatenmantel und
in der Schmiedewerkstatt hatten unsere Soldaten gleich
vier Panzerfäuste liegen gelassen. Ebenfalls eine
Menge Munition lag in der Schmiede umher. Dem Reden
der amerikanischen Soldaten konnten wir nur immer entnehmen:
"Wo deutsche Soldaten?" Mit erhobenen Händen
und den Gewehrlauf im Rücken wurde unser Großvater
(damals Bürgermeister der Gemeinde Dippoldsberg,
der Verfasser) an die Wand gestellt und verhört.
Dies waren schreckliche Augenblicke für uns. Da
er später noch die Bevölkerung unserer Ortschaft
auffordern musste die weiße Fahne zu hissen? dachten
wir schon, die Amerikaner hätten ihn gefangengenommen,
weil wir ihn nirgends finden konnten. Gegen Abend war
dann die Familie wieder beisammen. --"
In
der Tat, Bürgermeister Fischer ließ durch
Boten verkünden, oder forderte - wo notwendig -
die Bevölkerung selbst auf die weiße Fahne
zu hissen. Allerdings war diese Aufforderung von Seiten
der Gemeindeverwaltung nicht überall nötig,
denn viele Dippoldsberger hissten schon, nach Aufforderung
der US-Truppen (67) oder aus eigenen Erwägungen
(68), die weiße Flagge.
Wie
endete die o. a. Aussage des Dok. Nr. 93?: "Gegen
Abend war dann die Familie wieder beisammen."
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