Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band IV: Gemeinde Kirchfarrnbach mit Ortsteil Dürrnfarrnbach
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 1
 
 

Rektor Richert in Kirchfarrnbach um 1980

Vorwort

Als ich im Jahre 1972 die Leitung der Grund- und Hauptschule Wilhermsdorf übernahm, wurde in einem Gespräch mit Herrn Landrat Dr. Sommerschuh und Herrn Oberschulrat Roland Kühn die Frage aufgeworfen, ob nicht für das Gebiet des Schulverbandes Wilhermsdorf eine Dokumentation über die Ereignisse der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges erstellt werden könnte. Nachdem ich schon über Neuhof a. d. Zenn eine solche Dokumentation gefertigt hatte, erklärte ich mich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, zumal doch diese letzten Kriegstage nicht ohne Spuren zu hinterlassen dieses Gebiet streiften.

Zwar wusste ich noch nicht viel, jedoch das Wenige reizte mich, dieser Aufgabe nachzukommen. Und so wurden im Jahre 1972/73, wie in den anderen Gemeinden des Schulverbandes auch, für das Gebiet der Gemeinde Kirchfarrnbach Fragebogen von mir herausgegeben. Dank der regen Mithilfe der Bevölkerung konnte aufgrund der von ihr erstellten Fragebogen und Berichte von mir nun diese Dokumentation verfasst werden.

Es ist nun selbstverständlich, dass ich an dieser Stelle allen Bürgern und Bürgerinnen der Gemeinde Kirchfarrnbach, die zum Gelingen dieser Dokumentation beitrugen, herzlich danke. Ebenso danken möchte ich auch den Schülern und Schülerinnen der 8. und 9. Klassen des Schuljahres 1972/73 für ihre tätige Mithilfe sowie aber auch den Schülern und Schülerinnen der 9. Klasse aus dem Schuljahr 1974/75. Mein besonderer Dank gilt aber Herrn Landrat Dr. Sommerschuh, Herrn Oberschulrat Roland Kühn und Herrn Bürgermeister Johann Beigel, die aufgeschlossen meinem Vorhaben gegenüberstanden. Ebenso aber gebührt Dank meinem Konrektor Herrn Walter Roßmeißel für die Anfertigung der Kartenskizzen sowie meiner Sekretärin Frau Friedrich, die mir bei den Schreibarbeiten behilflich war.

Es ist selbstverständlich, dass die in der Dokumentation geschilderten Ereignisse kein vollständiges Bild von den Ereignissen der damaligen Zeit bringen, sondern sie stellt in Wirklichkeit nur einen Sektor der damaligen Zeit dar; denn eine genaue Verfolgung der militärischen Ereignisse war aufgrund der fehlenden Tagebücher der militärischen Einheiten nicht möglich. So konnten, wie in den Bänden I, II und III dieser Dokumentation, die militärischen Ereignisse nur aufgrund der örtlichen Erhebungen rekonstruiert werden.

Über die Methodik der Erfassung der Ereignisse, deren Auswertung und der Motivation möchte der Leser sich in der Einleitung des Band I (Gemeinde Wilhermsdorf) orientieren.
Diese Dokumentation soll nicht nur den ferneren Generationen die Geschehnisse der letzten Kriegstage überliefern, sondern soll ihnen ein Anschauungsmaterial geben was es für den einzelnen, für die Familien und für die Gemeinden bedeutet, den Krieg im eigenen Land, im eigenen Dorf, ja im eigenen Hof zu erleben und zu erdulden.

Wilhermsdorf, den 3. Juni 1975
gez. Theod. G. Richert

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Die Kriegsjahre 1939 - 1945 in der Gemeinde Kirchfarrnbach
und im Ortsteil Dürrnfarrnbach.

Die Kriegsjahre 1939 - 1945

Schwül waren die Tage des Sommers 1939 und gar mancher Tropfen Schweiß floss von der Stirn der arbeitenden Bevölkerung, ganz gleich in welchen Teilen des damaligen deutschen Reiches man weilte. So waren auch die Sommertage des Jahres 1939 in unserer Gemeinde und ihrer Umgebung warm, heiß, so dass die Heuernte - im Juni - gut hereingebracht werden konnte. Eigentlich war man zufrieden, man hatte sein Auskommen, wenn nicht die politische Lage in den Junitagen des Jahres 1939 wieder ernste Zeiten ankündigte.

War es nach dem März 1939, als Hitler aus der Rest-Tschechei das deutsche Protektorat Böhmen und Mähren machte, verhältnismäßig ruhig in der politischen Landschaft geblieben, wohl hörte man die Nachrichten vom spanischen Bürgerkriegsschauplatz - sie verkündeten Sieg den Truppen des General Franco - oder im Reichsgebiet wurden die Luftschutzmaßnahmen intensiviert, erwarb die Bevölkerung Deutschlands damals "Volksgasmasken", so konnte man in den Sommertagen die immer heftigeren Vorwürfe der deutschen Presse gegen die Maßnahmen der polnischen Regierung oder des polnischen Volkes und dessen Übergriffe gegenüber der in Polen lebenden Deutschen lesen oder im Rundfunk hören. Seitdem Hitler nun seine neuerlichen Forderungen auf Revision des Versailler Friedensvertrages erhoben hatte und in diesem Zusammenhang die Rückkehr der Freien Stadt Danzig und Ostoberschlesien sowie des "polnischen Korridors" ins Reich von Polen forderte, wuchs in aller Welt und somit auch in unserer Gemeinde von Tag zu Tag im heißen Sommer 1939 die Spannung. "Wird es Krieg geben?“, war die Frage, die jedermann sich ängstlich stellte oder wird die Sache wieder so ausgehen wie im vergangenen Jahr auf der "Münchner-Konferenz", wo die Großmächte Europas: England, Frankreich, Italien und Deutschland vertraglich die Zugehörigkeit des Sudetenlandes zum deutschen Reich bestätigten und somit Hitler die Gelegenheit abermals boten, eine Korrektur an den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages vorzunehmen.

Nun, die Spannung und die Sorge um die Zukunft unseres Vaterlandes lagen dumpf über dem Land. -

Mitten in diese Spannung hinein platzte nun am 13. Juni 1939 die traurige Nachricht, dass der junge, 22-jährige Dippoldsberger Johann Michael Döllinger, damals Obergefreiter der deutschen Luftwaffe, tödlich verunglückt sei. Döllinger war Mitglied der Jagdfliegerschule in Werneuchen, Kreis Oberbarnim. Am oben angegebenen Tag bestieg er munter, wie ein junger Mensch sein kann, sein Jagdflugzeug zu einem Übungsflug und stürzte um 7 Uhr 50 bei Angerminde ab. (1) Mit Windeseile verbreitete sich die Unglücksbotschaft in der Bevölkerung unserer und der der umliegenden Gemeinden.

Es war klar, dass diese traurige Nachricht Anlass zu einer großen Beerdigung, oder wie man in unserer Mundart meint, zu einer "großen Leicht" sein würde. Und tatsächlich war es dann auch wirklich so, als am 17. Juni 1939 auf dem Kirchhof von Kirchfarrnbach die Beerdigung des Obergefreiten Döllinger stattfand.

Eine unübersehbare Menge von Menschen hatte sich auf dem Friedhof von Kirchfarrnbach an diesem warmen, sonnigen 17. Juni 1939 eingefunden, um den Beisetzungsfeierlichkeiten beizuwohnen. Am offenen Grab standen der Ortsgeistliche Pfarrer König, die Chorschüler mit dem Kantor Lehrer Westernacher, die Angehörigen, eine Abordnung der Luftwaffe - die natürlich die Neugierde der Jugend erweckte.

Das Trauerzeremoniell begann. Noch ahnte niemand, dass diese Beerdigung nicht so wie alle kirchlichen Beerdigungen verlaufen sollte. Die Chorschüler sangen wie immer, Pfarrer König sprach und zelebrierte wie immer, jedoch, als die Chorschüler den Choral "Nun bringen wir den Leib zur Ruh' '' anstimmten und die Sargträger sich daran machten den Sarg und mit ihm die sterbliche Hülle des Verstorbenen in das Grab zu senken, da wurde man gewahr, dass das Grab für die Ausmaße des "preußischen" Sarges zu klein war. Als das Mühen der Sargträger zu keinem Erfolge kam, gebot Pfarrer König diesen Versuchen Einhalt mit dem Hinweis, dass nach Beendigung der kirchlichen Feier der Totengräber das Grab vergrößern und man dann den Sarg ins Grab senken könne.

Die Feier nahm ihren Lauf. Der Sarg blieb am offenen Grab stehen und während sich die Gemeinde in das Gotteshaus zum Trauergottesdienst begab, begann der Totengräber seine Arbeit und bald danach konnte der Leichnam des Obergefreiten Johann Michael Döllinger unter die Erde gebracht werden.

 
 
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