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Nach
dem Gottesdienst gingen die Angehörigen des Verstorbenen
und deren "Freundschaft" ins Trauerhaus zum
Leichenschmaus und die anderen Teilnehmer in die Gasthäuser
unserer Gemeinde, um sich bei einem frischen Glas Bier
zu erholen. Wohl aber auch, um etwas im Gespräch
dort zu verweilen, denn wann kam man schon zusammen?
Manche gestandene Männer saßen zu ernsten
Gesprächen, hauptsächlich auch wegen der politischen
Lage, hier zusammen. Und gar mancher dachte in seines
Herzensgrund nach diesen Gesprächen bang an die
Zukunft, vielleicht aber auch ein wenig abergläubisch
an das heutige Geschehen auf dem Friedhof. - Nein so
etwas hatte es noch nicht gegeben!! Sollte es ein Vorzeichen
für eine schwere und schreckliche Zeit sein?
Die
folgenden Wochen vergingen im Fluge, an Arbeit auf den
Feldern mangelte es nicht. Die Ernte konnte bei herrlichem
"Erntewetter" in die Scheunen gebracht werden,
jedoch die Nachrichten nahmen immer bedrohlichere Ausmaße
an.
Als
dann in der Nacht vom 25. auf 26. August 1939 auch in
der Gemeinde Kirchfarrnbach wehrpflichtige Männer
überraschend "zu einer mehrwöchigen Übung"
nach Fürth, Erlangen und Nürnberg zur Wehrmacht
eingezogen wurden, wusste man, dass es diesmal kein
zweites "München", d.h. kein zweites
"Münchner Abkommen" geben würde,
sondern man war fast überzeugt, dass nun die Waffen
sprächen. --
Trotzdem
ahnte wohl niemand unserer Gemeinde, als er den Führer
des "Großdeutschen Reiches" Adolf Hitler
an jenem 1. September 1939 im Reichstag verkünden
hörte (2): "... Polen hat nun heute Nacht
auf unserem eigenem Territorium auch durch reguläre
Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr (3) wird jetzt zurückgeschossen!
Ich habe damit wieder jenen Rock (14) angezogen, der
mir selbst der heiligste und teuerste war. Ich werde
ihn nur ausziehen nach dem Sieg, oder ich werde dieses
Ende nicht mehr erleben.", dass dieser Kampf, den
Deutschland nun aufgenommen hatte, ein solches Ende
nehmen würde. Auch als man den ersten Wehrmachtsbericht
um 13 Uhr zu Beginn der Nachrichten aus dem Volksempfänger
vernahm (5): "Das Oberkommando der Wehrmacht gibt
bekannt: Auf Befehl des Führers und obersten Befehlshabers
hat die Wehrmacht den aktiven Schutz des Reiches übernommen.
In Erfüllung ihres Auftrages, der polnischen Gewalt
Einhalt zu gebieten, sind Truppen des deutschen Heeres
heute früh über alle deutsch-polnischen Grenzen
zum Gegenangriff angetreten. Gleichzeitig sind Geschwader
der Luftwaffe zum Niederkämpfen militärischer
Ziele in Polen gestartet. Die Kriegsmarine hat den Schutz
der Ostseeküste übernommen.", konnte
keine Begeisterung - wie im ganzen Gebiete des übrigen
Reiches, so auch in unserer Gemeinde - aufkommen, zumal
man hörte, dass wieder ein Glied unserer Gemeinde,
nämlich Herr Hans Gnad (6) von Dürrnfarrnbach,
zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Wie niedergedrückt
wäre erst die Stimmung im deutschen Volke und auch
in der Gemeinde Kirchfarrnbach gewesen, hätten
sie den Ausspruch des Generals v. Reichenau gehört.
General v. Reichenau äußerte nach der entscheidenden
Ansprache Hitlers am 22. August 1939 vor den Heerführern
auf dem Obersalzberg (7): "Der Mann (gemeint Hitler,
der Verf.) irrt sich schwer; dieser Krieg wird nicht
sechs Wochen, wie er gesagt hat, sondern sechs Jahre
dauern."
Die
Tage des Kriegsbeginns waren aber nicht dazu angetan
längeren und tieferen Gedankengängen nachzugehen,
denn die Vorbereitungen, Deutschland ein kriegsmäßiges
Gesicht aufzuprägen, sowie die tägliche Arbeit,
ließen keine Zeit dazu. Sofort mussten die Luftschutzsicherungen
aufgenommen werden. Verdunklungen mussten angebracht,
die Keller abgestützt und zum Behelfsluftschutzraum
umgewandelt, an den Lampen der Fahrräder und evtl.
vorhandenen Autos mussten Verdunklungshauben angebracht
werden, und beim Bürgermeister in Kirchfarrnbach
wurden die neuen Lebensmittelmarken ausgegeben. Von
nun an waren Lebensmittel und andere Erzeugnisse rationiert.
Alles in allem, in den wenigen Tagen nach Beginn des
Krieges hat sich das Leben in unserer Gemeinde verändert.
Die meisten Männer waren zum Militär eingezogen
und statt Vollbier gab es von nun an nur noch "Dünnbier",
ein Bier mit weniger Gehalt an Alkohol und Stammwürze.
Auch
auf den Feldern, bei der Kartoffelernte, die noch einzubringen
war, ehe der Winter kam, hatte sich das Bild geändert:
Die Arbeit dortselbst verrichteten Frauen, Kinder und
alte Männer. Es begann für die Bauersfrau,
aber auch für die Kinder auf dem Lande, eine harte
Zeit. Zudem kam noch die Sorge um den im Felde stehenden
Mann, Bruder, Vater oder Bräutigam. Begierig hörte
man tagtäglich den Wehrmachtsbericht und wartete
auf Post.
Ein
Aufatmen ging durch die Bevölkerung, als schon
nach 18 Tagen Polen in einem "Blitzkrieg"
besiegt worden war. Aber dieser Sieg brachte nicht den
Frieden und somit nicht den Sohn, den Vater, den Mann,
den Bruder oder den Bräutigam nach Hause. Da die
Verluste im Polenfeldzug im Verhältnis gering waren,
beklagte die Gemeinde Kirchfarrnbach noch kein Menschenleben
in diesem Krieg.
An
die Verdunklung hatte man sich nach einiger Zeit gewöhnt,
ebenso an die Rationierung der Lebensmittel, die immer
noch so gut bemessen war, dass man ohne größeren
Verzicht leben konnte. Endlich war der Winter da. Diesmal
hart und kalt. Jedoch, der Wald gab genug Holz und anderes
Brennmaterial war auch, wenn auch etwas gekürzt,
vorhanden und in den Stuben war es warm. Niemand brauchte
im ersten Kriegswinter zu frieren. Endlich hatte die
geplagte Bauersfrau etwas Zeit zum "Verschnaufen",
denn die ganze Männerarbeit auf dem Hofe lastete
seit Kriegsbeginn auf ihren Schultern. Nur wer das selbst
erlebt hat, weiß was dies bedeutete, hatte man
doch damals wenig Landmaschinen im Einsatz!
Aber
an alles gewöhnt sich der Mensch und so war es
auch hier. Längst hatte man sich daran gewöhnt,
dass Eier, Getreide, Kartoffeln, Schlachtvieh, Milch
usw. nicht mehr frei, d.h. an jeden, verkauft werden
durften, sondern dass das Landratsamt Fürth jedem
Hof vorschrieb, was er an Nahrungsmitteln abzuliefern
hätte. Natürlich wurden diese Güter nur
gegen Bezahlung abgeliefert. Damit der Staat eine Kontrolle
über den Viehbestand usw. hatte, wurden z. B. Viehzählungen
vorgenommen. Alljährlich - das wusste man inzwischen
- am 3. Dezember (8) führte der damalige Gemeindediener
Herr Leonhard Kleinschroth bei den Landwirten eine Viehzählung
durch. Gut, dass man dies wusste, konnte man doch das
eine oder andere Stück Vieh vor den Augen des Zählers
verbergen; denn mit zunehmender Länge des Krieges
wurden auch viele Gebrauchsgüter wie Pflugschar,
Egge, Leitseil, Kuhgeschirr usw. rarer und gar manches
so dringend notwendige Gerät konnte nur "unter
dem Ladentische", d.h. schwarz, im Tauschhandel
erworben werden. War es da der Landbevölkerung
zu verdenken, wenn der eine oder andere, trotz des Verbots
und der harten, angedrohten Strafen ein Schwein schwarz
schlachtete?
Nach
Beendigung der Polen-, Norwegen-, West- und Balkanfeldzüge
wurde die Arbeit der geplagten Bäuerin auf dem
Hofe insofern erleichtert, dass den Höfen Kriegsgefangene
oder Fremdarbeiter zugeteilt wurden. Dies brachte natürlich
menschliche Probleme auf beiden Seiten mit sich. In
Kirchfarrnbach - so geht aus den Fragebögen hervor
- waren überwiegend Serben und Polen auf den Höfen
im Einsatz.
Gar
mancher Kirchfarrnbacher wird in den Tagen der Siege,
zumindest nach den phänomenalen Erfolgen des Westfeldzuges
und damit der Niederringung Frankreichs - wohl niemand
dachte zu Beginn des Krieges daran - stolz auf die Leistungen
des deutschen Soldaten und somit auch auf die Soldaten
aus der Gemeinde Kirchfarrnbach gewesen sein. Erst mit
dem siegreichen Westfeldzug und den daran anschließend
zunehmenden Erfolgen der deutschen U-Boote in der "Schlacht
im Atlantik" kam in der deutschen Bevölkerung
- so auch in unserer Gemeinde - so etwas wie Begeisterung
auf. Diese Begeisterung, die durch die Sorge um die
Lieben draußen im Felde und durch die Nachricht,
dass Johann Ruf, ein junger Bursche aus Kirchfarrnbach,
noch in den letzten Tagen des so siegreichen Westfeldzuges
am 13. Juni 1940 als erster Kirchfarrnbacher gefallen
war, etwas gemildert wurde, konnten auch die jetzt häufiger
werdenden Luftalarme nicht gänzlich dämpfen.
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