Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band IV: Gemeinde Kirchfarrnbach mit Ortsteil Dürrnfarrnbach
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 2

 
 
Nach dem Gottesdienst gingen die Angehörigen des Verstorbenen und deren "Freundschaft" ins Trauerhaus zum Leichenschmaus und die anderen Teilnehmer in die Gasthäuser unserer Gemeinde, um sich bei einem frischen Glas Bier zu erholen. Wohl aber auch, um etwas im Gespräch dort zu verweilen, denn wann kam man schon zusammen? Manche gestandene Männer saßen zu ernsten Gesprächen, hauptsächlich auch wegen der politischen Lage, hier zusammen. Und gar mancher dachte in seines Herzensgrund nach diesen Gesprächen bang an die Zukunft, vielleicht aber auch ein wenig abergläubisch an das heutige Geschehen auf dem Friedhof. - Nein so etwas hatte es noch nicht gegeben!! Sollte es ein Vorzeichen für eine schwere und schreckliche Zeit sein?

Die folgenden Wochen vergingen im Fluge, an Arbeit auf den Feldern mangelte es nicht. Die Ernte konnte bei herrlichem "Erntewetter" in die Scheunen gebracht werden, jedoch die Nachrichten nahmen immer bedrohlichere Ausmaße an.

Als dann in der Nacht vom 25. auf 26. August 1939 auch in der Gemeinde Kirchfarrnbach wehrpflichtige Männer überraschend "zu einer mehrwöchigen Übung" nach Fürth, Erlangen und Nürnberg zur Wehrmacht eingezogen wurden, wusste man, dass es diesmal kein zweites "München", d.h. kein zweites "Münchner Abkommen" geben würde, sondern man war fast überzeugt, dass nun die Waffen sprächen. --

Trotzdem ahnte wohl niemand unserer Gemeinde, als er den Führer des "Großdeutschen Reiches" Adolf Hitler an jenem 1. September 1939 im Reichstag verkünden hörte (2): "... Polen hat nun heute Nacht auf unserem eigenem Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr (3) wird jetzt zurückgeschossen! Ich habe damit wieder jenen Rock (14) angezogen, der mir selbst der heiligste und teuerste war. Ich werde ihn nur ausziehen nach dem Sieg, oder ich werde dieses Ende nicht mehr erleben.", dass dieser Kampf, den Deutschland nun aufgenommen hatte, ein solches Ende nehmen würde. Auch als man den ersten Wehrmachtsbericht um 13 Uhr zu Beginn der Nachrichten aus dem Volksempfänger vernahm (5): "Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: Auf Befehl des Führers und obersten Befehlshabers hat die Wehrmacht den aktiven Schutz des Reiches übernommen. In Erfüllung ihres Auftrages, der polnischen Gewalt Einhalt zu gebieten, sind Truppen des deutschen Heeres heute früh über alle deutsch-polnischen Grenzen zum Gegenangriff angetreten. Gleichzeitig sind Geschwader der Luftwaffe zum Niederkämpfen militärischer Ziele in Polen gestartet. Die Kriegsmarine hat den Schutz der Ostseeküste übernommen.", konnte keine Begeisterung - wie im ganzen Gebiete des übrigen Reiches, so auch in unserer Gemeinde - aufkommen, zumal man hörte, dass wieder ein Glied unserer Gemeinde, nämlich Herr Hans Gnad (6) von Dürrnfarrnbach, zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Wie niedergedrückt wäre erst die Stimmung im deutschen Volke und auch in der Gemeinde Kirchfarrnbach gewesen, hätten sie den Ausspruch des Generals v. Reichenau gehört. General v. Reichenau äußerte nach der entscheidenden Ansprache Hitlers am 22. August 1939 vor den Heerführern auf dem Obersalzberg (7): "Der Mann (gemeint Hitler, der Verf.) irrt sich schwer; dieser Krieg wird nicht sechs Wochen, wie er gesagt hat, sondern sechs Jahre dauern."

Die Tage des Kriegsbeginns waren aber nicht dazu angetan längeren und tieferen Gedankengängen nachzugehen, denn die Vorbereitungen, Deutschland ein kriegsmäßiges Gesicht aufzuprägen, sowie die tägliche Arbeit, ließen keine Zeit dazu. Sofort mussten die Luftschutzsicherungen aufgenommen werden. Verdunklungen mussten angebracht, die Keller abgestützt und zum Behelfsluftschutzraum umgewandelt, an den Lampen der Fahrräder und evtl. vorhandenen Autos mussten Verdunklungshauben angebracht werden, und beim Bürgermeister in Kirchfarrnbach wurden die neuen Lebensmittelmarken ausgegeben. Von nun an waren Lebensmittel und andere Erzeugnisse rationiert. Alles in allem, in den wenigen Tagen nach Beginn des Krieges hat sich das Leben in unserer Gemeinde verändert. Die meisten Männer waren zum Militär eingezogen und statt Vollbier gab es von nun an nur noch "Dünnbier", ein Bier mit weniger Gehalt an Alkohol und Stammwürze.

Auch auf den Feldern, bei der Kartoffelernte, die noch einzubringen war, ehe der Winter kam, hatte sich das Bild geändert: Die Arbeit dortselbst verrichteten Frauen, Kinder und alte Männer. Es begann für die Bauersfrau, aber auch für die Kinder auf dem Lande, eine harte Zeit. Zudem kam noch die Sorge um den im Felde stehenden Mann, Bruder, Vater oder Bräutigam. Begierig hörte man tagtäglich den Wehrmachtsbericht und wartete auf Post.

Ein Aufatmen ging durch die Bevölkerung, als schon nach 18 Tagen Polen in einem "Blitzkrieg" besiegt worden war. Aber dieser Sieg brachte nicht den Frieden und somit nicht den Sohn, den Vater, den Mann, den Bruder oder den Bräutigam nach Hause. Da die Verluste im Polenfeldzug im Verhältnis gering waren, beklagte die Gemeinde Kirchfarrnbach noch kein Menschenleben in diesem Krieg.

An die Verdunklung hatte man sich nach einiger Zeit gewöhnt, ebenso an die Rationierung der Lebensmittel, die immer noch so gut bemessen war, dass man ohne größeren Verzicht leben konnte. Endlich war der Winter da. Diesmal hart und kalt. Jedoch, der Wald gab genug Holz und anderes Brennmaterial war auch, wenn auch etwas gekürzt, vorhanden und in den Stuben war es warm. Niemand brauchte im ersten Kriegswinter zu frieren. Endlich hatte die geplagte Bauersfrau etwas Zeit zum "Verschnaufen", denn die ganze Männerarbeit auf dem Hofe lastete seit Kriegsbeginn auf ihren Schultern. Nur wer das selbst erlebt hat, weiß was dies bedeutete, hatte man doch damals wenig Landmaschinen im Einsatz!

Aber an alles gewöhnt sich der Mensch und so war es auch hier. Längst hatte man sich daran gewöhnt, dass Eier, Getreide, Kartoffeln, Schlachtvieh, Milch usw. nicht mehr frei, d.h. an jeden, verkauft werden durften, sondern dass das Landratsamt Fürth jedem Hof vorschrieb, was er an Nahrungsmitteln abzuliefern hätte. Natürlich wurden diese Güter nur gegen Bezahlung abgeliefert. Damit der Staat eine Kontrolle über den Viehbestand usw. hatte, wurden z. B. Viehzählungen vorgenommen. Alljährlich - das wusste man inzwischen - am 3. Dezember (8) führte der damalige Gemeindediener Herr Leonhard Kleinschroth bei den Landwirten eine Viehzählung durch. Gut, dass man dies wusste, konnte man doch das eine oder andere Stück Vieh vor den Augen des Zählers verbergen; denn mit zunehmender Länge des Krieges wurden auch viele Gebrauchsgüter wie Pflugschar, Egge, Leitseil, Kuhgeschirr usw. rarer und gar manches so dringend notwendige Gerät konnte nur "unter dem Ladentische", d.h. schwarz, im Tauschhandel erworben werden. War es da der Landbevölkerung zu verdenken, wenn der eine oder andere, trotz des Verbots und der harten, angedrohten Strafen ein Schwein schwarz schlachtete?

Nach Beendigung der Polen-, Norwegen-, West- und Balkanfeldzüge wurde die Arbeit der geplagten Bäuerin auf dem Hofe insofern erleichtert, dass den Höfen Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter zugeteilt wurden. Dies brachte natürlich menschliche Probleme auf beiden Seiten mit sich. In Kirchfarrnbach - so geht aus den Fragebögen hervor - waren überwiegend Serben und Polen auf den Höfen im Einsatz.

Gar mancher Kirchfarrnbacher wird in den Tagen der Siege, zumindest nach den phänomenalen Erfolgen des Westfeldzuges und damit der Niederringung Frankreichs - wohl niemand dachte zu Beginn des Krieges daran - stolz auf die Leistungen des deutschen Soldaten und somit auch auf die Soldaten aus der Gemeinde Kirchfarrnbach gewesen sein. Erst mit dem siegreichen Westfeldzug und den daran anschließend zunehmenden Erfolgen der deutschen U-Boote in der "Schlacht im Atlantik" kam in der deutschen Bevölkerung - so auch in unserer Gemeinde - so etwas wie Begeisterung auf. Diese Begeisterung, die durch die Sorge um die Lieben draußen im Felde und durch die Nachricht, dass Johann Ruf, ein junger Bursche aus Kirchfarrnbach, noch in den letzten Tagen des so siegreichen Westfeldzuges am 13. Juni 1940 als erster Kirchfarrnbacher gefallen war, etwas gemildert wurde, konnten auch die jetzt häufiger werdenden Luftalarme nicht gänzlich dämpfen.

 
 
zurück zum Verzeichnis "Heimatgeschichtliches Lesebuch"