Man überlegte
von welcher Seite der Feind kommen könnte. Aller
Wahrscheinlichkeit nach aus Richtung Langenzenn oder
Richtung Dürrnfarrnbach. Deshalb glaubte man
die Panzersperre beim Anwesen Leonhard Enzner Haus-Nr.
22 errichten zu müssen; denn hier bildet die
Hauptstraße einen Engpass, durch den der Feind
musste, wenn er aus den erwähnten Richtungen
in Kirchfarrnbach eindringen würde (18). Daran,
dass der Feind evtl. die Panzersperre, von Kreben
kommend, umgehen oder seitlich umgehen könnte,
dachte man nicht oder wollte daran nicht denken. Also,
der Befehl zum Panzersperrenbau war da und er musste
ausgeführt werden. So begann man in der Woche
vor Einnahme Kirchfarrnbachs mit dem Bau der Sperre.
Darüber sagen die Dokumente aus:
"...Vor
Kriegsende" (Dok. Nr 118, 125)
" ...Vom 10. bis 14. 4. 1945" (Dok. Nr.
119)
" ...am 8. April 1945“ (Dok. Nr. 120)
" ... im Ort, in der Woche zwischen dem 8. -
15. 4. 1945" (Dok.122)
" ...einige Tage zuvor bei Enzner" (123)
" ...einige Tage vor der Front" (Dok. Nr.
132)
" ...am 15. April 1945" (Dok. Nr. 133).
Diese Aussagen
lassen den Schluss zu, dass in der Woche vor der Besetzung
der Panzersperrenbau vorangetrieben und betrieben
wurde. Sicherlich meint Dok. Nr. 133 die endgültige
Schließung der Panzersperre, denn die Panzersperre
beim Anwesen Enzner Nr. 22 wurde (18) aus Felssteinen
errichtet. In der Mitte dieser massiven Sperre befand
sich ein "wagenbreiter" Durchgang, der dann
bei Herannahen des Feindes, sicherlich am 15. April
1945, mittels eines mit Steinen beladenen Wagens geschlossen
wurde; zur Verteidigung derselben standen dann nur
einige Soldaten einer versprengten Einheit zur Verfügung
(18).
Soweit
sind wir aber bei unserer Aufzeichnung noch nicht.
Vorläufig befinden wir uns erst in der Woche
vor der Besetzung durch den Feind. In Dürrnfarrnbach
kam es zu keiner Errichtung einer Panzersperre, dies
sagen die Dokumente übereinstimmend aus. Sie
wäre, für den, der die Gegend kennt, auch
völlig unnütz gewesen.
Die
Tage dieser Woche waren mit Arbeit und Verteidigungsmaßnahmen
angefüllt und immer wieder unterbrochen vom Auftauchen
der gefährlichen "Jabos". Auch näherte
sich in diesen Tagen die Front zusehends. Man hörte
und sah es; denn immer mehr deutsche Truppen fluteten
durch Kirchfarrnbach und Dürrnfarrnbach in diesen
Tagen, zurück zur neuen HKL im Raume Schwabach
Ansbach - Hall. Hier sollte um den 18. und 19. April
1945 eine neue HKL entstehen. "Von der Lücke
in der Oberpfalz bis zur Naab abgesehen, bestand am
18. und 19. April eine leidliche Front vom Raum nördlich
Amberg über Schwabach, Ansbach, Hall und Richtung
Lauffen". (19) Dass diese Truppen sich auch auf
diese Linie zurückzuziehen hatten, sagt aus Dok.
Nr. 131, wenn es berichtet (20): "16. 4. 1945.
Es waren deutsche Offiziere. Einer hatte seine Leute
westlich, der andere östlich der Ortschaft im
Walde (bei Dürrnfarrnbach - d. Verf.). Am Abend
zogen die Soldaten ab. Sie sagten, sie müssten
noch in dieser Nacht bis Schwabach, da dort noch eine
Lücke in der Front wäre."
Und so
näherte sich diese ereignisreiche Woche dem Ende
zu. Die nächste Woche wird die Entscheidung bringen,
das war jedem in der Gemeinde Kirchfarrnbach klar.
Wie wird sie aussehen? Eine ungeheure Spannung, vermischt
mit Angst und Sorge um das eigene Leben, bemächtigte
sich der Bevölkerung. Die Zukunft stand ungewiss
und drohend im Raum, zumal sich inzwischen deutsche
Truppen in Kirchfarrnbach einquartierten. Die auch
u.a. Auflösungserscheinungen zeigten, sonst könnte
Dok. Nr. 129 nicht berichten (21): "Manchmal
aßen Soldaten bei uns und kleideten sich neu
ein."
Aber alle
"Einquartierungen" waren wohl nur vorübergehender
Natur (22). Anders sollte es werden, als die Sonne
blutrot am Sonntag, den 15. April 1945, nach einem
herrlichen, schönen und warmen Frühlingstag,
im Westen sank und man mit Schrecken den Einschlag
der Granaten gegen 17 Uhr in Wilhermsdorf deutlich
hörte und den Feuerschein der brennenden Wehrmachtswagen
in der Nähe von Wilhermsdorf beim Lenzenhaus
hinter den Wäldern sah, von daher eine Artillerieeinheit
nach Kirchfarrnbach einen gefallenen deutschen Soldaten
brachte. Hierüber sagt Dok. Nr. 135 aus: "Diesen
toten Soldaten (es handelt sich hier um den Gefallenen
Leonhard Richter - d. Verf.) brachte eine Artillerieeinheit
nach Kirchfarrnbach. Er soll bei einem Angriff in
der Nähe des Lenzenhauses bei Wilhermsdorf entweder
gefallen oder schwer verwundet und dann unterwegs
gestorben sein." (21 a).
Nun
wurde es bitterer Ernst; denn bei sinkender Sonne
quartierten sich zudem Soldaten der Waffen-SS in Kirchfarrnbach
ein.
Montag,
der 15. April 1945, der Tag der Besetzung durch den
Feind
"In
der Nacht vom 15. auf den 16. April 1945 wurde es
nun auch für die Kirchfarrnbacher ernst. In dieser
Zeit nämlich machte eine Einheit der Waffen-SS
in Kirchfarrnbach Quartier. Auch bei uns wurde ein
SS-Soldat einquartiert. Wir ließen ihn im Bett
schlafen, während wir alle auf Matratzen und
auf dem Fußboden uns zur Ruhe niederließen.
Seine Aussage, wonach die Amis sicherlich nur auf
den Hauptstraßen vormarschieren würden
und dass wir uns deshalb nicht zu fürchten brauchten,
beruhigte uns ein wenig und befreite uns für
Augenblicke von der unerträglichen Spannung."
Man kann
sich denken wie diese Spannung die gesamte Bevölkerung
ergriff, als Waffen-SS in Kirchfarrnbach Quartier
nahm. Sie werden doch Kirchfarrnbach nicht verteidigen,
war der Gedanke, der alle Menschen in unserer Gemeinde
erfüllte. Sollte man im letzten Augenblick dieses
harten, aussichtslosen Ringens noch Hab und Gut verlieren?
So verging
die Nacht in banger Erwartung und wohl auch unter
heißen Gebeten. Draußen war es still,
der Himmel sternenklar. Auch aus Richtung Wilhermsdorf,
Meiersberg, Langenzenn hörte man nichts. Stille
- Stille vor dem Sturm? Vor dem Untergang?
Da,
ein Aufatmen, denn "die Einheit der Waffen-SS
zog am Montag, den 16. April 1945 wieder ab. Dies
geschah in den Morgenstunden." (24) Rot ging
die Sonne über Kirchfarrnbach auf. Sie versprach
einen heißen Tag. Kaum hatte man das Vieh versorgt,
gefrühstückt, da wurde schon die Bevölkerung
dadurch erschreckt, dass der Ortsgruppenleiter der
NSDAP M. B. (25) im Auftrage der Waffen-SS anordnete,
dass die Einwohner Kirchfarrnbachs am Waldessaum des
Dillenbergs (siehe Angaben auf der Karte) Schützenlöcher
und MG-Stellungen für die sich vom Feinde absetzenden
deutschen Truppen ausheben sollten. Mit Spaten, Hacken
und Schaufeln ausgerüstet bewegten sich ein Großteil
der Einwohner Kirchfarrnbachs, in der Mehrzahl Frauen,
über den Wiesengrund zum Dillenberg, um dort
unter Anleitung der Partei Stellungen zu bauen. Während
dieser Arbeiten hörte man immer deutlicher den
Gefechtslärm aus Richtung Wilhermsdorf. Froh
war man, als diese Arbeit gegen Mittag abgeschlossen
werden konnte. Unheimlich klang der Gefechtslärm
von Wilhermsdorf in den Ohren der Kirchfarrnbacher
und der Dürrnfarrnbacher. So kam der Mittag heran.
Man wartete auf die Dinge, die da kommen sollten.
Man wartete - man wartete. - Die Spannung war schier
unerträglich. Gegen Mittag nahm der Geschützdonner
und das MG-Feuer an Intensität zu. Waren sie
die Boten, die das Herannahen des Unheils verkündeten?
So begab man sich in den Mittagsstunden dieses 16.
April 1945 in die Behausungen, verschiedentlich auch
schon in die Schutzräume, dies jedoch nur in
einigen Fällen. Inzwischen war die Verbindung
zu den anderen Dörfern total abgebrochen.
Niemand,
kein Kirchfarrnbacher oder Dürrnfarrnbacher Bürger
bewegte sich in diesen Stunden außerhalb seines
Heimatortes und die Bürger Dippoldsbergs, Meiersbergs,
Altkatterbachs und Krebens hatten sich um diese Zeit
schon längst in die Schutzräume begeben
(27).
Was
Wunder, dass man ängstlich auf die Vorgänge
außerhalb des Heimatortes lauschte und ein Gerücht
das andere jagte - meistens jedoch waren es eben nur
Gerüchte.