Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band IV: Gemeinde Kirchfarrnbach mit Ortsteil Dürrnfarrnbach
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 5
 
 

Man überlegte von welcher Seite der Feind kommen könnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach aus Richtung Langenzenn oder Richtung Dürrnfarrnbach. Deshalb glaubte man die Panzersperre beim Anwesen Leonhard Enzner Haus-Nr. 22 errichten zu müssen; denn hier bildet die Hauptstraße einen Engpass, durch den der Feind musste, wenn er aus den erwähnten Richtungen in Kirchfarrnbach eindringen würde (18). Daran, dass der Feind evtl. die Panzersperre, von Kreben kommend, umgehen oder seitlich umgehen könnte, dachte man nicht oder wollte daran nicht denken. Also, der Befehl zum Panzersperrenbau war da und er musste ausgeführt werden. So begann man in der Woche vor Einnahme Kirchfarrnbachs mit dem Bau der Sperre. Darüber sagen die Dokumente aus:

"...Vor Kriegsende" (Dok. Nr 118, 125)
" ...Vom 10. bis 14. 4. 1945" (Dok. Nr. 119)
" ...am 8. April 1945“ (Dok. Nr. 120)
" ... im Ort, in der Woche zwischen dem 8. - 15. 4. 1945" (Dok.122)
" ...einige Tage zuvor bei Enzner" (123)
" ...einige Tage vor der Front" (Dok. Nr. 132)
" ...am 15. April 1945" (Dok. Nr. 133).

Diese Aussagen lassen den Schluss zu, dass in der Woche vor der Besetzung der Panzersperrenbau vorangetrieben und betrieben wurde. Sicherlich meint Dok. Nr. 133 die endgültige Schließung der Panzersperre, denn die Panzersperre beim Anwesen Enzner Nr. 22 wurde (18) aus Felssteinen errichtet. In der Mitte dieser massiven Sperre befand sich ein "wagenbreiter" Durchgang, der dann bei Herannahen des Feindes, sicherlich am 15. April 1945, mittels eines mit Steinen beladenen Wagens geschlossen wurde; zur Verteidigung derselben standen dann nur einige Soldaten einer versprengten Einheit zur Verfügung (18).

Soweit sind wir aber bei unserer Aufzeichnung noch nicht. Vorläufig befinden wir uns erst in der Woche vor der Besetzung durch den Feind. In Dürrnfarrnbach kam es zu keiner Errichtung einer Panzersperre, dies sagen die Dokumente übereinstimmend aus. Sie wäre, für den, der die Gegend kennt, auch völlig unnütz gewesen.

Die Tage dieser Woche waren mit Arbeit und Verteidigungsmaßnahmen angefüllt und immer wieder unterbrochen vom Auftauchen der gefährlichen "Jabos". Auch näherte sich in diesen Tagen die Front zusehends. Man hörte und sah es; denn immer mehr deutsche Truppen fluteten durch Kirchfarrnbach und Dürrnfarrnbach in diesen Tagen, zurück zur neuen HKL im Raume Schwabach Ansbach - Hall. Hier sollte um den 18. und 19. April 1945 eine neue HKL entstehen. "Von der Lücke in der Oberpfalz bis zur Naab abgesehen, bestand am 18. und 19. April eine leidliche Front vom Raum nördlich Amberg über Schwabach, Ansbach, Hall und Richtung Lauffen". (19) Dass diese Truppen sich auch auf diese Linie zurückzuziehen hatten, sagt aus Dok. Nr. 131, wenn es berichtet (20): "16. 4. 1945. Es waren deutsche Offiziere. Einer hatte seine Leute westlich, der andere östlich der Ortschaft im Walde (bei Dürrnfarrnbach - d. Verf.). Am Abend zogen die Soldaten ab. Sie sagten, sie müssten noch in dieser Nacht bis Schwabach, da dort noch eine Lücke in der Front wäre."

Und so näherte sich diese ereignisreiche Woche dem Ende zu. Die nächste Woche wird die Entscheidung bringen, das war jedem in der Gemeinde Kirchfarrnbach klar. Wie wird sie aussehen? Eine ungeheure Spannung, vermischt mit Angst und Sorge um das eigene Leben, bemächtigte sich der Bevölkerung. Die Zukunft stand ungewiss und drohend im Raum, zumal sich inzwischen deutsche Truppen in Kirchfarrnbach einquartierten. Die auch u.a. Auflösungserscheinungen zeigten, sonst könnte Dok. Nr. 129 nicht berichten (21): "Manchmal aßen Soldaten bei uns und kleideten sich neu ein."

Aber alle "Einquartierungen" waren wohl nur vorübergehender Natur (22). Anders sollte es werden, als die Sonne blutrot am Sonntag, den 15. April 1945, nach einem herrlichen, schönen und warmen Frühlingstag, im Westen sank und man mit Schrecken den Einschlag der Granaten gegen 17 Uhr in Wilhermsdorf deutlich hörte und den Feuerschein der brennenden Wehrmachtswagen in der Nähe von Wilhermsdorf beim Lenzenhaus hinter den Wäldern sah, von daher eine Artillerieeinheit nach Kirchfarrnbach einen gefallenen deutschen Soldaten brachte. Hierüber sagt Dok. Nr. 135 aus: "Diesen toten Soldaten (es handelt sich hier um den Gefallenen Leonhard Richter - d. Verf.) brachte eine Artillerieeinheit nach Kirchfarrnbach. Er soll bei einem Angriff in der Nähe des Lenzenhauses bei Wilhermsdorf entweder gefallen oder schwer verwundet und dann unterwegs gestorben sein." (21 a).

Nun wurde es bitterer Ernst; denn bei sinkender Sonne quartierten sich zudem Soldaten der Waffen-SS in Kirchfarrnbach ein.

 

Montag, der 15. April 1945, der Tag der Besetzung durch den Feind

"In der Nacht vom 15. auf den 16. April 1945 wurde es nun auch für die Kirchfarrnbacher ernst. In dieser Zeit nämlich machte eine Einheit der Waffen-SS in Kirchfarrnbach Quartier. Auch bei uns wurde ein SS-Soldat einquartiert. Wir ließen ihn im Bett schlafen, während wir alle auf Matratzen und auf dem Fußboden uns zur Ruhe niederließen. Seine Aussage, wonach die Amis sicherlich nur auf den Hauptstraßen vormarschieren würden und dass wir uns deshalb nicht zu fürchten brauchten, beruhigte uns ein wenig und befreite uns für Augenblicke von der unerträglichen Spannung."

Man kann sich denken wie diese Spannung die gesamte Bevölkerung ergriff, als Waffen-SS in Kirchfarrnbach Quartier nahm. Sie werden doch Kirchfarrnbach nicht verteidigen, war der Gedanke, der alle Menschen in unserer Gemeinde erfüllte. Sollte man im letzten Augenblick dieses harten, aussichtslosen Ringens noch Hab und Gut verlieren?

So verging die Nacht in banger Erwartung und wohl auch unter heißen Gebeten. Draußen war es still, der Himmel sternenklar. Auch aus Richtung Wilhermsdorf, Meiersberg, Langenzenn hörte man nichts. Stille - Stille vor dem Sturm? Vor dem Untergang?

Da, ein Aufatmen, denn "die Einheit der Waffen-SS zog am Montag, den 16. April 1945 wieder ab. Dies geschah in den Morgenstunden." (24) Rot ging die Sonne über Kirchfarrnbach auf. Sie versprach einen heißen Tag. Kaum hatte man das Vieh versorgt, gefrühstückt, da wurde schon die Bevölkerung dadurch erschreckt, dass der Ortsgruppenleiter der NSDAP M. B. (25) im Auftrage der Waffen-SS anordnete, dass die Einwohner Kirchfarrnbachs am Waldessaum des Dillenbergs (siehe Angaben auf der Karte) Schützenlöcher und MG-Stellungen für die sich vom Feinde absetzenden deutschen Truppen ausheben sollten. Mit Spaten, Hacken und Schaufeln ausgerüstet bewegten sich ein Großteil der Einwohner Kirchfarrnbachs, in der Mehrzahl Frauen, über den Wiesengrund zum Dillenberg, um dort unter Anleitung der Partei Stellungen zu bauen. Während dieser Arbeiten hörte man immer deutlicher den Gefechtslärm aus Richtung Wilhermsdorf. Froh war man, als diese Arbeit gegen Mittag abgeschlossen werden konnte. Unheimlich klang der Gefechtslärm von Wilhermsdorf in den Ohren der Kirchfarrnbacher und der Dürrnfarrnbacher. So kam der Mittag heran. Man wartete auf die Dinge, die da kommen sollten. Man wartete - man wartete. - Die Spannung war schier unerträglich. Gegen Mittag nahm der Geschützdonner und das MG-Feuer an Intensität zu. Waren sie die Boten, die das Herannahen des Unheils verkündeten? So begab man sich in den Mittagsstunden dieses 16. April 1945 in die Behausungen, verschiedentlich auch schon in die Schutzräume, dies jedoch nur in einigen Fällen. Inzwischen war die Verbindung zu den anderen Dörfern total abgebrochen.

Niemand, kein Kirchfarrnbacher oder Dürrnfarrnbacher Bürger bewegte sich in diesen Stunden außerhalb seines Heimatortes und die Bürger Dippoldsbergs, Meiersbergs, Altkatterbachs und Krebens hatten sich um diese Zeit schon längst in die Schutzräume begeben (27).

Was Wunder, dass man ängstlich auf die Vorgänge außerhalb des Heimatortes lauschte und ein Gerücht das andere jagte - meistens jedoch waren es eben nur Gerüchte.

 
 
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