Also
mussten diesen Keller unter der brennenden Scheune
15 Leute verlassen. Alles in allem ganz alte Männer
und Frauen, Frauen und Kinder, war doch der Berichter
damals noch nicht ganz 10 Jahre alt! ---
Kaum
war das Artilleriefeuer verstummt, da schickte man
sich an, die Schutzräume zu verlassen, um draußen
nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen war es gegen
15 Uhr geworden.
So
wurden einige Bürger und Bürgerinnen Kirchfarrnbachs
des ersten lebenden US-Soldaten ansichtig. Darüber
sagen aus Dok. Nr. 133 (45): "15.00 Uhr 16. April
1945 vom Unterschlupf aus."
Oder Dok. Nr. 123 (46): "Bei Anrücken der
US-Panzer im Angriff durch die Gärten."
Und Dok. Nr. 122 meint (47): ".., Dabei nahmen
ich und L. Winkler in einem Erdloch Deckung. Dort
sahen wir in unserem Garten einen amerikanischen Panzer
mit Neger besetzt." Deutlich schildern die Dok.
Nr. 118 und 125 in fast gleichlautenden Worten ihre
erste Begegnung mit US-Soldaten (48): "Als das
arge Schießen vorüber war, gingen wir mal
aus den Keller zur Straße her. Vor dem Tor stand
(Pfarrhaus - d. Verf.) ein amerikanischer Panzer,
ein Soldat schaute oben raus. Das war der erste Ami,
den wir sahen, Wir winkten ihm zu. Auf einmal flog
ein Flugzeug über uns, dies schoss! Der Soldat
ging in den Panzer rein und wir sprangen wieder in
den Keller zurück."
In
der Tat, ein deutsches Flugzeug griff am 16. April
1945 in den Nachmittagsstunden in den Kampf ein. Dok.
Nr. 124 gibt darüber genauere Auskunft, wenn
es erzählt (49): "Am 16. April 1945 griff
ein deutsches Jagdflugzeug im Tiefflug aus Richtung
Dürrnfarrnbach kommende US-Kolonnen mit MG-Feuer
und Bomben an. Die Bombe konnte später als Blindgänger
in den Wiesen vor dem Bohrberg geborgen werden."
Auch
dieses Jagdflugzeug konnte die Inbesitznahme Kirchfarrnbachs
durch die US-Army und deren Vormarsch nicht aufhalten.
Nach dieser Episode war es dann soweit, das Feuer
verstummte gänzlich - man konnte die Schutzräume
endgültig verlassen. Erschreckt musste die Bevölkerung
feststellen, lassen wir doch lieber einen Augenzeugen
sprechen (50): "Nun, unsere Ortschaft hatte in
der kurzen Zeit des Gefechtes Schaden gelitten. So
brannte die Scheune meines Onkels Michael Dietrich,
gleich nebenan. Mein Stiefvater wollte gleich mit
dem Löschen der Brandstelle beginnen. Leider
ging dies nicht. Unser Haus bekam auch einen Teil
ab. So war es abgedeckt, im Innern war der Spiegel
des Schrankes meiner Mutter in viele kleine Teile
zersplittert, die Kleider waren zerschossen und oben
im Haus war alles kaputt."
Dies
waren nicht die einzigen Gebäudeschäden,
so berichtet: "... unsere Scheune ist abgebrannt,
Hühner waren angeschossen" (Dok. Nr. 118).
"... Scheune war abgebrannt, Vorräte vernichtet
und Wohnhaus beschädigt." (Dok. Nr. 122).
Oder: "Schweinestall war beschädigt. Hühnerhaus
schwer beschädigt." (Dok. 132).
Insgesamt,
so erkannte man bald, waren beschädigt oder zerstört
(51):
Scheune
des Heinrich Ruf. Haus-Nr. 42 (zerstört)
Scheune des Georg Eichler, Haus-Nr, 8 (zerstört)
Scheune des Michael Dietrich, Haus-Nr. 24 (zerstört)
Scheune des Georg Kleinschroth, Haus-Nr. 29 (zerstört)
Scheune des Johann Brehm, Haus-Nr. 33
Wohnhaus des Heinrich Ruf, Haus-Nr. 42 (beschädigt)
Wohnhaus des Peter Bratenstein, Haus-Nr, 51 (beschädigt)
Schweinestall und Hühnerhaus des Georg Rotter,
Haus-Nr. 14 (beschädigt).
Das
alles waren Verluste; Verluste, die man wieder aufbauen,
ersetzen konnte, so arg das auch für die Betroffenen
war.
Doch
auch diese Betroffenen ließ die Schreckensnachricht
aufhorchen, die sich mit Windeseile in der Ortschaft
verbreitete, nämlich, dass der Kampf um Kirchfarrnbach
nicht nur materiellen Schaden der Bevölkerung
zufügte, sondern dass auch Verluste an Menschenleben
zu beklagen waren. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich
die Nachricht vom Tode der Kätha Ruf geb. Kleinschroth,
der Magdalena Löw geborene Büttner und vom
Tode eines unbekannten Soldaten.
Aber
auch von den Verletzungen der Marie Westernacher und
des Paul Ruf.
Wie
konnte dies nur geschehen? fragte man sich.
Nun,
bezüglich des unbekannten, jungen Soldaten ist
die Sache gleich erzählt (53):
„Als
die US-Truppen in Kirchfarrnbach eindrangen und bis
zur Panzersperre beim Anwesen Leonhard Enzner, Haus-Nr.
22 vorgestoßen waren, sahen sie in der Wohnstube
der Familie Enzner einen uniformierten deutschen Soldaten.
Sofort eröffneten sie das Feuer auf ihn - tot
sank er zu Boden. Genaue Auskunft über den Tod
dieses Soldaten gibt Dok. Nr. 135 (53a): "Knobloch
hat sich ins Haus-Nr. 22 (Enzner) geflüchtet.
Er wurde aber durch einen Spalt in der Türe von
den Amerikanern in seiner Uniform gesehen. Die US-Soldaten
schossen durch die Haus- und Zimmertüre."
Aber
bei den Zivilisten? Lassen wir doch einen Augenzeugen
erzählen (54): "Kurz nach dem Beschuss unserer
Ortschaft durch Artillerie kamen die amerikanischen
Panzer und schossen wahllos in alle Türen, die
verschlossen waren. So auch durch die Kellertüre
unseres Kellers in dem sich so viele Leute befanden.
Dabei wurden meine Schwester Kätha Ruf, meine
Nachbarin Lena Löw tödlich verwundet und
meine Nachbarin Frau Westernacher (die Frau des Lehrers
und späteren Rektors der Volksschule Langenzenn
Emil Westernacher - d. Verf.) durch einen Oberschenkelschuss,
das kleinste Kind meiner Schwester (Paul Ruf - d.
Verf.) durch einen Streifschuss am Kopf verletzt.
(Vergl. hierzu die Dok. Nr. 118, 120, 123, 125, 132,
133 - d. Verf.) Dies hätte alles nicht passieren
brauchen, wenn die Leute nur ein bisschen aufgeklärt
gewesen wären."
Lebenslange Streifschussspur
Ja,
wie konnte es dazu kommen? Wurden denn keine weiße
Flaggen gehisst oder wurde die Ortschaft nicht dem
Feinde übergeben?
Es
kam weder zu dem einen noch zum anderen; denn die
Aussagen der Fragebögen sind hierüber fast
einmütig. Auf die Frage: Wurde die Ortschaft
... übergeben? antworteten die Dok. Nr. 118,
122, 125, 133 mit einem glatten "Nein".
Und Dok. Nr. 120 mit "Nicht übergeben".
Warum
dies so war, erläutert klar Dok. Nr. 123 (56):
"Nein! Die Ortschaft wurde im Angriff genommen,
da deutsche Artillerie die US-Panzer beschoss.'' So
kam es auch nicht dazu, dass irgend jemand eine Übergabe
veranlasste, hatte doch während der Beschießung
und des Kampfes die Bevölkerung Kirchfarrnbachs
in den Schutzräumen Schutz gesucht.
Aus
diesem Grunde ist das Verhalten des damaligen Bürgermeisters
zu verstehen, von dem berichtet wurde (57): "Der
damalige Bürgermeister von Kirchfarrnbach - nicht
Herr Vogel - hatte sich vor den Amis versteckt und
so waren wir unserem Schicksal überlassen"
oder (58) "... Bürgermeister verkroch sich
im Keller."
In
der Tat, eine Übergabe der Ortschaft in dieser
Gefechtslage war schier unmöglich, zudem kannte
man auch in Kirchfarrnbach den sogen "Flaggenbefehl"
des Reichsführers der SS Heinrich Himmler (59)
ebenso wie die Zeitungsmeldung vom 14. April 1945
über die sogen. Meuterei der Volkssturmmänner
von Neuhof a. d. Zenn und dem Standgerichtsverfahren
in Rothenburg o. T. (60). Außerdem musste man
damit rechnen, dass sich Einheiten der Waffen-SS im
Gebiete des Dillenbergs und des Hirschberg-Forstes
aufhielten und evtl. wiederkommen würden, sonst
könnte Dok. Nr. 126 nicht erzählen (61):
"... Denn wir fürchteten uns vor den Truppen
der Waffen-SS, die - wie man sagte - im Hirschberg-Forst
sein sollten."