Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band IV: Gemeinde Kirchfarrnbach mit Ortsteil Dürrnfarrnbach
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 7
 
 

Also mussten diesen Keller unter der brennenden Scheune 15 Leute verlassen. Alles in allem ganz alte Männer und Frauen, Frauen und Kinder, war doch der Berichter damals noch nicht ganz 10 Jahre alt! ---

Kaum war das Artilleriefeuer verstummt, da schickte man sich an, die Schutzräume zu verlassen, um draußen nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen war es gegen 15 Uhr geworden.

So wurden einige Bürger und Bürgerinnen Kirchfarrnbachs des ersten lebenden US-Soldaten ansichtig. Darüber sagen aus Dok. Nr. 133 (45): "15.00 Uhr 16. April 1945 vom Unterschlupf aus."
Oder Dok. Nr. 123 (46): "Bei Anrücken der US-Panzer im Angriff durch die Gärten."
Und Dok. Nr. 122 meint (47): ".., Dabei nahmen ich und L. Winkler in einem Erdloch Deckung. Dort sahen wir in unserem Garten einen amerikanischen Panzer mit Neger besetzt." Deutlich schildern die Dok. Nr. 118 und 125 in fast gleichlautenden Worten ihre erste Begegnung mit US-Soldaten (48): "Als das arge Schießen vorüber war, gingen wir mal aus den Keller zur Straße her. Vor dem Tor stand (Pfarrhaus - d. Verf.) ein amerikanischer Panzer, ein Soldat schaute oben raus. Das war der erste Ami, den wir sahen, Wir winkten ihm zu. Auf einmal flog ein Flugzeug über uns, dies schoss! Der Soldat ging in den Panzer rein und wir sprangen wieder in den Keller zurück."

In der Tat, ein deutsches Flugzeug griff am 16. April 1945 in den Nachmittagsstunden in den Kampf ein. Dok. Nr. 124 gibt darüber genauere Auskunft, wenn es erzählt (49): "Am 16. April 1945 griff ein deutsches Jagdflugzeug im Tiefflug aus Richtung Dürrnfarrnbach kommende US-Kolonnen mit MG-Feuer und Bomben an. Die Bombe konnte später als Blindgänger in den Wiesen vor dem Bohrberg geborgen werden."

Auch dieses Jagdflugzeug konnte die Inbesitznahme Kirchfarrnbachs durch die US-Army und deren Vormarsch nicht aufhalten. Nach dieser Episode war es dann soweit, das Feuer verstummte gänzlich - man konnte die Schutzräume endgültig verlassen. Erschreckt musste die Bevölkerung feststellen, lassen wir doch lieber einen Augenzeugen sprechen (50): "Nun, unsere Ortschaft hatte in der kurzen Zeit des Gefechtes Schaden gelitten. So brannte die Scheune meines Onkels Michael Dietrich, gleich nebenan. Mein Stiefvater wollte gleich mit dem Löschen der Brandstelle beginnen. Leider ging dies nicht. Unser Haus bekam auch einen Teil ab. So war es abgedeckt, im Innern war der Spiegel des Schrankes meiner Mutter in viele kleine Teile zersplittert, die Kleider waren zerschossen und oben im Haus war alles kaputt."

Dies waren nicht die einzigen Gebäudeschäden, so berichtet: "... unsere Scheune ist abgebrannt, Hühner waren angeschossen" (Dok. Nr. 118). "... Scheune war abgebrannt, Vorräte vernichtet und Wohnhaus beschädigt." (Dok. Nr. 122). Oder: "Schweinestall war beschädigt. Hühnerhaus schwer beschädigt." (Dok. 132).

Insgesamt, so erkannte man bald, waren beschädigt oder zerstört (51):

Scheune des Heinrich Ruf. Haus-Nr. 42 (zerstört)
Scheune des Georg Eichler, Haus-Nr, 8 (zerstört)
Scheune des Michael Dietrich, Haus-Nr. 24 (zerstört)
Scheune des Georg Kleinschroth, Haus-Nr. 29 (zerstört)
Scheune des Johann Brehm, Haus-Nr. 33
Wohnhaus des Heinrich Ruf, Haus-Nr. 42 (beschädigt)
Wohnhaus des Peter Bratenstein, Haus-Nr, 51 (beschädigt)
Schweinestall und Hühnerhaus des Georg Rotter, Haus-Nr. 14 (beschädigt).

Das alles waren Verluste; Verluste, die man wieder aufbauen, ersetzen konnte, so arg das auch für die Betroffenen war.

Doch auch diese Betroffenen ließ die Schreckensnachricht aufhorchen, die sich mit Windeseile in der Ortschaft verbreitete, nämlich, dass der Kampf um Kirchfarrnbach nicht nur materiellen Schaden der Bevölkerung zufügte, sondern dass auch Verluste an Menschenleben zu beklagen waren. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom Tode der Kätha Ruf geb. Kleinschroth, der Magdalena Löw geborene Büttner und vom Tode eines unbekannten Soldaten.

Aber auch von den Verletzungen der Marie Westernacher und des Paul Ruf.

Wie konnte dies nur geschehen? fragte man sich.

Nun, bezüglich des unbekannten, jungen Soldaten ist die Sache gleich erzählt (53):

„Als die US-Truppen in Kirchfarrnbach eindrangen und bis zur Panzersperre beim Anwesen Leonhard Enzner, Haus-Nr. 22 vorgestoßen waren, sahen sie in der Wohnstube der Familie Enzner einen uniformierten deutschen Soldaten. Sofort eröffneten sie das Feuer auf ihn - tot sank er zu Boden. Genaue Auskunft über den Tod dieses Soldaten gibt Dok. Nr. 135 (53a): "Knobloch hat sich ins Haus-Nr. 22 (Enzner) geflüchtet. Er wurde aber durch einen Spalt in der Türe von den Amerikanern in seiner Uniform gesehen. Die US-Soldaten schossen durch die Haus- und Zimmertüre."

Aber bei den Zivilisten? Lassen wir doch einen Augenzeugen erzählen (54): "Kurz nach dem Beschuss unserer Ortschaft durch Artillerie kamen die amerikanischen Panzer und schossen wahllos in alle Türen, die verschlossen waren. So auch durch die Kellertüre unseres Kellers in dem sich so viele Leute befanden. Dabei wurden meine Schwester Kätha Ruf, meine Nachbarin Lena Löw tödlich verwundet und meine Nachbarin Frau Westernacher (die Frau des Lehrers und späteren Rektors der Volksschule Langenzenn Emil Westernacher - d. Verf.) durch einen Oberschenkelschuss, das kleinste Kind meiner Schwester (Paul Ruf - d. Verf.) durch einen Streifschuss am Kopf verletzt. (Vergl. hierzu die Dok. Nr. 118, 120, 123, 125, 132, 133 - d. Verf.) Dies hätte alles nicht passieren brauchen, wenn die Leute nur ein bisschen aufgeklärt gewesen wären."


Lebenslange Streifschussspur

Ja, wie konnte es dazu kommen? Wurden denn keine weiße Flaggen gehisst oder wurde die Ortschaft nicht dem Feinde übergeben?

Es kam weder zu dem einen noch zum anderen; denn die Aussagen der Fragebögen sind hierüber fast einmütig. Auf die Frage: Wurde die Ortschaft ... übergeben? antworteten die Dok. Nr. 118, 122, 125, 133 mit einem glatten "Nein". Und Dok. Nr. 120 mit "Nicht übergeben".

Warum dies so war, erläutert klar Dok. Nr. 123 (56): "Nein! Die Ortschaft wurde im Angriff genommen, da deutsche Artillerie die US-Panzer beschoss.'' So kam es auch nicht dazu, dass irgend jemand eine Übergabe veranlasste, hatte doch während der Beschießung und des Kampfes die Bevölkerung Kirchfarrnbachs in den Schutzräumen Schutz gesucht.

Aus diesem Grunde ist das Verhalten des damaligen Bürgermeisters zu verstehen, von dem berichtet wurde (57): "Der damalige Bürgermeister von Kirchfarrnbach - nicht Herr Vogel - hatte sich vor den Amis versteckt und so waren wir unserem Schicksal überlassen" oder (58) "... Bürgermeister verkroch sich im Keller."

In der Tat, eine Übergabe der Ortschaft in dieser Gefechtslage war schier unmöglich, zudem kannte man auch in Kirchfarrnbach den sogen "Flaggenbefehl" des Reichsführers der SS Heinrich Himmler (59) ebenso wie die Zeitungsmeldung vom 14. April 1945 über die sogen. Meuterei der Volkssturmmänner von Neuhof a. d. Zenn und dem Standgerichtsverfahren in Rothenburg o. T. (60). Außerdem musste man damit rechnen, dass sich Einheiten der Waffen-SS im Gebiete des Dillenbergs und des Hirschberg-Forstes aufhielten und evtl. wiederkommen würden, sonst könnte Dok. Nr. 126 nicht erzählen (61): "... Denn wir fürchteten uns vor den Truppen der Waffen-SS, die - wie man sagte - im Hirschberg-Forst sein sollten."

 
 
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