Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges in der Gemeinde Katterbach mit ihren Ortsteilen Altkatterbach, Kreben und Oberndorf
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 2
 
 

Die letzten Kriegstage in der Gemeinde Katterbach

Sie sind, wie in den anderen Gemeinden des Schulverbandes geprägt von drei Ereignissen:

l. Einsatz des Volkssturms.
2. Sicherung des eigenen Überlebens und
3. von der Besetzung unserer Gemeinde durch deutsche Truppen.

Das Problem des Panzersperrenbaus gab es in der Gemeinde Katterbach nicht, weil in keiner der drei Ortschaften Panzersperren angelegt wurden. Auch der Einsatz von Volkssturmleuten aus der Gemeinde Katterbach war nicht so problematisch, wie der aus den Gemeinden Wilhermsdorf und Dippoldsberg. Wohl kamen Bürger aus der Gemeinde zum Einsatz, jedoch Verluste an Menschenleben hatten sie nicht zu beklagen.

Über seinen Volkssturmeinsatz und seine Rückkehr von demselben berichtet Dok. Nr. 108 kurz (6): „Am 13. und 14. April 1945 führte ich eine Volkssturmabteilung in Obernzenn. Wir huben dort Schützenlöcher und Schützengräben mit etwa 300 Zivilisten aus. Die deutschen Soldaten belegten am Abend des 14. April unsere Schützenlöcher. Danach lösten wir unsere Gruppe auf, um Sonntagsurlaub zu nehmen. Am Montag, den 16. April 1945, wollten wir wieder in Obernzenn sein.

Ich ging mit meinem Freunde Georg Kohler aus Kreben um Neuhof a.d. Zenn herum, um über den Staatsforst „Hirschberg" nach Kreben zu gelangen. In den Waldungen erfuhren wir, daß man nach uns suchte. In einem Versteck hinter Kreben konnten wir beobachten, wie eine geschlossene Abteilung deutscher Soldaten mit Musik die Straße von Kreben Richtung Altkatterbach marschierte."

Als der Berichter mit seinem Freunde nach Kreben zurückkam, ward schon der 16. April angebrochen und mit ihm der Tag der Einnahme durch die US Truppen.
In ihrer Abwesenheit waren die Ortschaften der Gemeinde Quartier für die zurückflutenden deutschen Soldaten.

Wann und warum dies geschah, hier einige Aussagen:

Altkatterbach:
Dok. Nr. 95: „Ja, am 14. April 1945, auf dem Rückzug."
Nr. 97:„Ja, am 9. April 1945. Der Troß eines Infanteriebataillons war in der ganzen Ortschaft einquartiert. Bei uns waren die Vorräte und Verpflegung untergebracht."
Dok Nr. 99: „15. und 16. April 1945, die Truppen waren auf dem Rückzug, haben die Gegend fluchtartig verlassen."

Oder einige Stimmen aus Kreben:
Dok. Nr. 101: „Am 12. April 1945, wegen Unterkunft und Nahrung."
Dok. Nr. 116: „Montag, den 16. April 1945, ungefähr von 12 bis 15 Uhr. - Einrichtung einer Schreibstube."
Dok. Nr. 114: „Ja, in der Nacht zuvor (15./16. April 1945 - der Verf.) waren deutsche Soldaten in unserem Wohnzimmer, wo sie eine Schreibstube einrichteten. In der Scheune lagerten sie Munition. Gott sei Dank schafften sie diese am anderen Morgen um 4 Uhr wieder fort."

Nicht nur Quartier bezogen deutsche Soldaten in den Tagen vom 9. bis 16. April 1945 in den Ortschaften Altkatterbach und Kreben, sondern auch andere Soldaten, deutsche Soldaten, die die Sinnlosigkeit dieses Kampfes eingesehen hatten und nun am Ende des Krieges nicht mehr ein Opfer des Krieges werden wollten und sich deshalb von ihrer Truppe entfernt hatten, durchzogen Altkatterbach und Kreben mit dem Ziele gesund und heil aus diesem „Schlamassel" herauszukommen. Davon berichten die Dok. Nr. 106 und 111. So kann man lesen (7): „Zwei Soldaten versteckten sich im Stall. Sie wollten nicht in Gefangenschaft kommen und baten uns um Zivilkleidung.“

Ausführlicher wird Dok. Nr. 111, wenn es aussagt (8): „Der Wald (hinter der Ortschaft Kreben - der Verf.) war in den letzten Tagen meist von deutschen Soldaten besetzt. Wir wurden am 13./14. April abends und in der Nacht von deutschen Soldaten besucht; sie baten um Kleidung und Nahrungsmittel. Um nicht in Gefangenschaft zu kommen, verließen sie ihre Einheit. Meine Mutter kleidete fünf Soldaten ein und versorgte sie mit Nahrungsmitteln. Sie versteckten sich bei uns in der Scheune, als meine Mutter ihnen jedoch noch einmal Milch bringen wollte, waren sie verschwunden. Sie ließen nur eine Taschenlampe und einen Zettel mit den Worten zurück: 'Leider konnten wir nicht mehr länger warten, der liebe Gott möge euch vergelten; Namen können wir nicht nennen.' Wir wissen nur, daß sie aus Forchheim waren."

Einen ausführlicheren Bericht über die Zeit der Quartiernahme durch die deutschen Truppen in unserer Gemeinde haben wir aus dem Ortsteil Altkatterbach. Dok. Nr. 98 erzählt über diese Ereignisse (9): „Am 11. oder 12. April 1945 kamen drei Fuhrwerke in meinen Hof gefahren, mit Säcken und Kisten beladen.

Es waren ein Feldwebel und drei Soldaten dabei. In den Säcken waren Proviantvorräte, in den Kisten Bekleidung und Schuhe. Die Sachen gehörten einem Infanterieregiment, das in Coburg in Garnison war. Sie luden alles in meiner Zimmereiwerkstatt ab. Die Fuhrwerksbesitzer waren aus Walddachsbach, Landratsamt Uffenheim.

Die Front rückte immer näher. Die deutschen Truppen gingen immer weiter zurück. Am Freitagfrüh, 13. 4, 1945 kam dann der ganze Troß des Infanterieregiments nach Altkatterbach und bezog in der Ortschaft Quartier. Der Stab des Trosses richtete bei mir in meinem oberen Zimmer die Schreibstube ein.

Am Samstagnachmittag, 14. 4. 1945 hörte man schon hinter Markt Erlbach die Granaten einschlagen. Am Sonntagfrüh, 15. 4. 1945 gab dann der Hauptmann den Befehl an den Feldwebel: die ganzen Vorräte müssen nach Ballersdorf gefahren werden."

Verlassen wir für einen Augenblick den Abzug der deutschen Soldaten aus Altkatterbach und aus den anderen Ortsteilen und verweilen etwas bei der Bevölkerung dieser Gemeinde.

Das Zurückfluten der deutschen Truppen, nicht zuletzt aber das stete Nähern der Front veranlaßte die Bevölkerung Maßnahmen zu ergreifen, um das persönliche Überleben zu sichern. So mußten in der Unruhe und der Hast dieser Apriltage des Jahres 1945 Bettwäsche, Kleidungsstücke und Lebensmittel sichergestellt werden, damit man nach der Einnahme oder nach der Überrollung durch den Feind weiterleben konnte. Daß dies natürlich in aller Heimlichkeit geschehen mußte, war klar, denn die Verstecke sollten ja nur die wissen und kennen, die sich ihres Inhaltes auch bedienen sollten. Für die Augen der Nachbarn oder für die der Fremdarbeiter waren die Verstecke nicht bestimmt. Dies alles schuf in unserer Gemeinde eine Atmosphäre der Unruhe, Hetze und Angst, zumal ja die Zukunft wirklich im Dunklen lag, ganz zu schweigen von den Sorgen um die Lieben an der Front.

Bange Stunden und lange Nächte erlebten die Bewohner unserer Gemeinde. Auch am Tage war man seines Lebens nicht immer sicher, denn wußte man wann und wo ein feindlicher „Jabo" auftauchen und unbarmherzig seine MG-Feuer auf einem lenken würde? Man wußte in diesen Tagen, daß die Jabos sogar Vogelscheuchen, die auf den Feldern standen, mit MG-Feuern belegten. Nachts also, oder in aller Heimlichkeit, wurden Nahrungsmittel, Bekleidungsgegenstände und Bettwäsche sichergestellt. Wo und wie man Nahrungsmittel, Bekleidungsgegenstände und Bettwäsche sicherstellte, darüber einige Aussagen:

Nahrungsmittel:
Dok. Nr. 100: „Wir gruben alles in den Sand."
Dok. Nr. 110: „Im Hauskeller."
Dok. Nr. 106: „In einer Holzkiste versteckten wir Fleisch, Mehl und Fett und vergruben es in einem Reisigstoß."

Bekleidungsgegenstände:
Dok. Nr. 117: „In der Scheune vergraben"
Dok. Nr. 110: „Im Hauskeller"
Dok. Nr. 100: „Haben wir in der Scheune im Holzkoffer vergraben."

Bettwäsche:
Dok. Nr. 100: „Haben wir in der Scheune im Holzkoffer vergraben."
Dok. Nr. 110: „Im Hauskeller, Betten im Garten,"
Dok. Nr. 117: „In der Scheune vergraben."

Natürlich wurden nicht alle Sachen getrennt von einander versteckt; hierzu einige Aussagen:
Dok. Nr, 102 weiß zu berichten: „Es wurden ein paar Kisten Nahrungsmittel, wie Wäsche und Bekleidung eingestehen.''
Dok. Nr, 109 erzählt: „Wir haben eine große Kiste mit Brettern zusammengenagelt. Darin legten wir Bekleidungsstücke, Bettwäsche und Nahrungsmittel. Diese verschlossene Kiste versteckten wir in einem Reisigbüschelhaufen, daß nichts mehr von ihr zu sehen war."
und Dok. Nr. 114 meint zu diesem Fragenkomplex: „Bettwäsche und Bekleidungsstücke haben wir im Wald vergraben."

Mitten in diese Hast um die Sicherung des eigenen Überlebens platzte nun in Altkatterbach die Nachricht herein, daß „die ganzen Vorräte" der Wehrmacht nach Ballersdorf gebracht werden müssen. Wie aber sollten sie nach Ballersdorf gebracht werden? Lassen wir doch darüber und über den ganzen Transport Dok. Nr. 98 berichten (10): „Beim Troß hatten sie nur einen Wagen mit zwei Pferden übrig, von denen eines lahm ging. So mußte ich mit meinen zwei Pferden und meinem Wagen, sowie vom unteren Eberlein ein Fuhrwerk - der Fahrer war ein kriegsgefangener Pole - mitfahren. Der Soldat ließ sein lahmes Pferd stehen (er war bei Frau Bergold einquartiert) und nahm ein Pferd vom oberen Eberlein mit.

Wir fuhren dann über Kirchfarrnbach, Oberreichenbach, Hornsegen nach Ballersdorf. Als wir dort ankamen, war alles schon belegt. Da sagte der Feldwebel: 'Wir fahren weiter nach Vogtsreichenbach.’ Wir fuhren dann über Rütteldorf dorthin. Der damalige Militärflugplatz lag zwischen diesen Ortschaften um Großhabersdorf. Der Flugplatz wurde immer wieder von feindlichen Flugzeugen mit Maschinengewehrfeuer abgestreut. Wir fuhren mit großem Abstand hintereinander und sind gut in Vogtsreichenbach angekommen.

Das Pferd vom oberen Eberlein durfte ich wieder mitnehmen. Ich band es am Geschirr meines Handpferdes an, wo es dann nebenher lief. Wir zwei Fuhrwerke schlugen dann heimwärts eine andere Richtung ein. Wir fuhren von Vogtsreichenbach über Deberndorf, von da aus in den Dillenbergwald, auf der alten Hochstraße nach Hause.

In Deberndorf sah mich unser damaliger Milchfahrer Kilian Horneber. Er sagte zu mir: 'Sei so gut und sage es allen Milchlieferanten von Alt- und Neukatterbach, sie sollen morgen früh keine Milch mehr ins Milchhaus bringen, denn die Amerikaner sind morgen in Nürnberg.'

Als meine Pferde wieder im Stall waren, ging ich gleich in die Schreibstube und sagte den Herren, daß wir nicht in Ballersdorf, sondern in Vogtsreichenbach abgeladen hätten. Ich fragte dann so nebenbei, wie bei uns die Kriegslage stände. Ein junger Leutnant antwortete: 'Noch wie gestern'. Ich erzählte den Herren, was mir unser Milchabholer gesagt hatte. Ich sagte: 'Wenn ihr mit euren Vorräten rechtzeitig über Ammerndorf Roßtal - Schwabach hinauskommen wollt, dürft ihr nicht mehr lange warten.'

Ich ging dann wieder. Kurze Zeit später riefen sie nach einigen Soldaten, die bei uns im Wohnzimmer waren. Diese liefen dann im Dorf zu ihren Kameraden und erteilten den Befehl zum Abrücken. Am Sonntagnachtmittag, 15. 4. 1945, gegen 12 Uhr, zog der ganze Troß, ungefähr 12 bis 15 Wagen, von Altkatterbach ab."

Froh war man an diesem Sonntag, den 15. April 1945 darüber, daß die deutschen Soldaten die Gemeinde verließen, war somit doch die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß es um diese Ortschaften nicht zum Kampfe kommen wird; denn daß der morgige Tag, der 16. April 1945 die Entscheidung für die Gemeinde Altkatterbach bringen würde, war jedermann klar, die Umstände sprachen eine beredte Sprache (1): „Feindliche Aufklärungsflieger überflogen die Ortschaft, schossen aber nicht. Zu dieser Zeit, als die deutschen Soldaten abzogen (Sonntag, 15. April 1945 - der Verf.) schlugen bereits die feindlichen Granaten in Adelsdorf, in der Waldung nördlich des Bahnhofs, im sogenannten Hammelein, ein. Unser Dorf (Altkatterbach der Verf.) war dann frei von einer größeren Einheit. Nur einige versprengte Landser kamen noch dann und wann, wenn sie Hunger oder Durst hatten. Wir gaben ihnen etwas und schauten, daß wir sie wieder fortbrachten."

Ihr Aufenthalt in einer Ortschaft bedeutete ja Kampf um dieselbe und wer wollte das denn in diesen letzten Tagen dieses Krieges noch. Als dann am Sonntag, 15. April 1945, sich die Nacht über die Gemeinde Katterbach senkte, fanden wohl viele Bürger kaum die notwendige Nachtruhe. Wohl war man etwas vorbereitet, jedoch Bangigkeit und Spannung lasteten über der gesamten Bevölkerung. Was wird der morgige Tag jedem Einzelnen bringen?

 
 
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