Persönlicher
Bericht des Herrn Johann Wening, Altkatterbach Nr. 15
Erlebnisse
während der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges
von Johann Wening, damals Landwirt und Zimmermeister,
wohnhaft in Altkatterbach, Haus-Nr. 15.
Am
11. oder 12. April 1945 kamen drei Fuhrwerke in meinen
Hof gefahren, mit Säcken und Kisten beladen. Es
waren ein Feldwebel und drei Soldaten dabei. In den
Säcken waren Proviantvorräte, in den Kisten
Bekleidung und Schuhe. Die Sachen gehörten einem
Infanterieregiment, das in Coburg in Garnison war. Sie
luden alles in meiner Zimmereiwerkstatt ab. Die Fuhrwerksbesitzer
waren aus Walddachsbach, Landratsamt Uffenheim.
Die
Front rückte immer näher. Die deutschen Truppen
gingen immer weiter zurück. Am Freitagfrüh,
13. 4. 1945, kam dann der ganze Troß des Infanterieregiments
nach Altkatterbach und bezog in der Ortschaft Quartier.
Der Stab des Trosses richtete bei mir in meinem oberen
Zimmer die Schreibstube ein.
Am
Samstagnachmittag, 14. 4. 1945, hörte man schon
hinter Markt Erlbach die Granaten einschlagen. Am Sonntagfrüh,
15. 4.1945, gab dann der Hauptmann den Befehl an den
Feldwebel: die ganzen Vorräte müssen nach
Ballersdorf gefahren werden.
Beim
Troß hatten sie nur einen Wagen mit zwei Pferden
übrig, von denen eines lahm ging. So mußte
ich mit meinen zwei Pferden und meinem Wagen, sowie
vom unteren Eberlein ein Fuhrwerk - der Fahrer war ein
kriegsgefangener Pole - mitfahren. Der Soldat ließ
sein lahmes Pferd stehen (er war bei Frau Bergold einquartiert)
und nahm ein Pferd vom oberen Eberlein mit.
Wir
fuhren dann über Kirchfarrnbach, Oberreichenbach,
Hornsegen nach Ballersdorf. Als wir dort ankamen, war
alles schon belegt. Da sagte der Feldwebel: 'Fahren
wir weiter nach Vogtsreichenbach.’ Wir fuhren
dann über Rütteldorf dorthin. Der damalige
Militärflugplatz lag zwischen diesen Ortschaften
um Großhabersdorf. Der Flugplatz wurde immer wieder
von feindlichen Flugzeugen mit Maschinengewehrfeuer
abgestreut. Wir fuhren mit großem Abstand hintereinander
und sind gut in Vogtsreichenbach angekommen.
Das
Pferd vom oberen Eberlein durfte ich wieder mitnehmen.
Ich band es am Geschirr meines Handpferdes an, wo es
dann nebenher lief. Wir zwei Fuhrwerke schlugen dann
heimwärts eine andere Richtung ein. Wir fuhren
von Vogtsreichenbach über Deberndorf, von da aus
in den Dillenbergwald, auf der alten Hochstraße
nach Hause.
In
Deberndorf sah mich unser damaliger Milchfahrer Kilian
Horneber. Er sagte zu mir: 'Sei so gut und sage es allen
Milchlieferanten von Alt- und Neukatterbach, sie sollen
morgen früh keine Milch mehr ins Milchhaus bringen,
denn die Amerikaner sind morgen in Nürnberg.’
Als
meine Pferde wieder im Stall waren, ging ich gleich
in die Schreibstube und sagte den Herren, daß
wir nicht in Ballersdorf, sondern in Vogtsreichenbach
abgeladen hätten.
Ich
fragte dann so nebenbei, wie bei uns die Kriegslage
stände. Ein junger Leutnant antwortete: 'Noch wie
gestern.’ Ich erzählte den Herren, was mir
unser Milchabholer gesagt hatte. Ich sagte: 'Wenn ihr
mit euren Vorräten rechtzeitig über Ammerndorf
- Roßtal - Schwabach hinauskommen wollt, dürft
ihr nicht mehr lange warten.’
Ich
ging dann wieder. Kurze Zeit später riefen sie
nach einigen Soldaten, die bei uns im Wohnzimmer waren.
Diese liefen dann im Dorf zu ihren Kameraden und erteilten
den Befehl zum Abrücken. Am Sonntagnachmittag,
15. 4. 1945, gegen 12.00 Uhr, zog der ganze Troß,
ungefähr 12 bis 15 Wagen, von Altkatterbach ab.
Feindliche
Aufklärungsflieger überflogen die Ortschaft,
schossen aber nicht. Zu dieser Zeit, als die deutschen
Soldaten abzogen, schlugen bereits die ersten feindlichen
Granaten in Adelsdorf, in der Waldung nördlich
des Bahnhofes, im sogenannten Hammelein, ein. Unser
Dorf war dann frei von einer größeren Einheit.
Nur einige versprengte Landser kamen noch dann und wann,
wenn sie Hunger oder Durst hatten. Wir gaben ihnen etwas
und schauten, daß wir sie wieder fortbrachten.
Wir
hatten den Bier- und Felsenkeller in der Hohlgasse zwischen
Alt- und Neukatterbach gesäubert und mit Bänken
und Stühlen versehen. Er galt als bombensicher.
Dort haben sich dann am Montag, 16. 4. 1945, als in
der Frühe die Kanonade wieder einsetzte, die meisten
Einwohner versteckt. Von einem erhöhten Platz aus
sah man bald die Rauchwolken von Adelsdorf aufsteigen.
Bald darauf sah man Adelsdorfer Leute auf den Feldern
zwischen Altkatterbach und Dippoldsberg. Einige Zeit
später sah man über die Hirschbergwaldung
hinweg dichte Rauchschwaden ziehen. Es brannte Neuhof.
Wir
waren noch vier Mann, die den ersten Weltkrieg mitgemacht
hatten. Wir wußten, um was es geht, wenn der Feind
kommt. Wir hatten ausgemacht, wenn der letzte deutsche
Soldat die Ortschaft verlassen hätte, die weiße
Fahne auszuhängen. Wir wußten nicht, wo der
Feind herkommen würde. Hans Enßner und Konrad
Eberlein waren an der Nordseite der Ortschaft. Sie hatten
den Auftrag, sofort nach dem Verlassen der deutschen
Soldaten die weiße Fahne aufzuhängen. Dies
geschah dann auch. Ich war auf der Südwestseite
in Bereitschaft. In den ersten Nachmittagsstunden stand
ich auf einem Miststapel der an der Straße Richtung
Kreben lag. Von dieser Stelle sah ich Meiersberg liegen.
Kaum stand ich dort, ging wieder eine größere
Kanonade los. Ich sah, wie Granaten in Meiersberg einschlugen,
ohne daß ein Brand entstanden wäre. Es sind
aber viele Gebäude stark beschädigt worden.
Ich
stand noch auf diesem Platz, da hörte ich Panzer
aus Richtung Adelsdorf kommen; sie fuhren den Mausersbuck
heraus und gingen oben im Feld (Lichteneichen) in Stellung.
Zwei Panzer bogen Richtung Osten ab mit Rohrmündung
nach Altkatterbach. Sie fuhren dann in gleicher Höhe
meines Standplatzes, in etwa 400 m Entfernung, zur Ortschaft.
Dort blieben sie schußbereit stehen. Ein großes,
weißes Bettuch war bereits ausgehängt. Ich
ging dann zu den Leuten im Felsenkeller und sagte ihnen,
daß der Feind nicht aus Richtung Neukatterbach
käme, sondern von hinten herauf. Sie sollten vorläufig
bleiben.
Ich
ging dann zurück in mein Anwesen. Als ich im Hof
war, rollten bereits die ersten Panzer an. Der erste
Panzer hielt vor der Scheune meines Nachbarn. Ein Mann
mit einem Maschinengewehr saß auf dem Panzer.
Ich nahm die weiße Fahne, ging zum Hoftor und
steckte sie auf. Der Amerikaner nickte mir zu, daß
es in Ordnung wäre. In diesem Moment kamen hinter
der Scheune Böhmländer zwei deutsche Soldaten
mit erhobenen Händen hervor und begaben sich in
Gefangenschaft.
Wahrscheinlich
stand jedoch noch ein Kamerad dieser Soldaten hinter
der Scheune. Er nahm ein Fahrrad, das er vorher aus
dem Hofe Bergold holte, und fuhr damit Richtung Kreben.
Er muß sich dort längere Zeit aufgehalten
haben. Die feindlichen Panzer nahmen den Wald, in welchem
sich dieser Soldat aufhielt, in Beschuß. Im Wald
Bergold, in einer Waldschleuse, lag er neben dem Fahrrad,
durch Maschinengewehrkugeln gefallen. Er wurde auf dem
Friedhof in Kirchfarrnbach bestattet. Sein Heimatort
war Nürnberg. Seine Angehörigen ließen
ihn später nach Nürnberg überführen.
Von
Altkatterbach fuhren die Panzer ohne Aufenthalt weiter
nach Kreben. Dort hielten sich noch mehrere deutsche
Soldaten im nahe gelegenen Wald auf. Aus diesem Grund
beschoß der Feind die Ortschaft mit Brandgranaten.
Folgende Scheunen brannten bis auf die Grundmauern nieder:
Konrad Raab, Hans Billing, Hunger.
Die
Amerikaner durchsuchten das ganze Dorf. Die meisten
Einwohner hatten sich im Felsenkeller versteckt. Georg
Kohler und seine Frau fühlten sich dort nicht sicher.
Sie gingen wieder haraus; nebenan hatte er sich einen
kleinen Unterstand gebaut, in welchem sie sich versteckten.
Herr Kohler hielt die Türe mit seiner Hand zu.
Dies sah ein Amerikaner, feuerte mit der Maschinenpistole
hinein und erschoß die Eheleute Kohler.
Der
Feind fuhr weiter nach Oberndorf und Kirchfarrnbach.
Die beiden Orte wurden mit Brandgranaten beschossen.
In Oberndorf brannte die Scheune Zogel, in Kirchfarrnbach
die Scheune von Georg Kleinschroth, Dietrich Eichler
und Heinrich Ruf.
In
Oberndorf wurde die Frau Löslein, als sie und ihr
Mann einen brennenden Strohstoß löschen wollten,
von einer deutschen Granate getroffen und war sofort
tot.
In
Kirchfarrnbach, im Keller der Familie Kleinschroth,
suchten mehrere Leute Schutz. Als die US-Soldaten hineinschossen,
erlagen den Verletzungen die Frauen Löb und Ruf,
während die Frau des Lehrers schwer verwundet wurde.
Die
Panzer rollten durch Kirchfarrnbach weiter nach Oberreichenbach
und schossen dort auch fünf Scheunen in Brand.
All dies geschah noch am 16. 4. 1945
In
meinem Geschäftsbereich - wo ich schon seit 1919
die Zimmereiarbeiten mache - brannten in Adelsdorf zwei
Wohnhäuser, sieben Scheunen und Stallungen; in
Kreben drei Scheunen; in Oberndorf eine Scheune; in
Kirchfarrnbach vier Scheunen, in Oberreichenbach fünf
Scheunen nieder.
Noch
im Sommer 1945 und 1946 richtete ich mit meinen Mitarbeitern
die meisten Gebäude wieder auf. So in Neuhof a.d.
Zenn zwanzig Gebäude, sieben Wohnhäuser und
13 Scheunen und Stallungen.
Altkatterbach,
den 11. Feb. 1973
gez. Johann Wening
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