Das Sparschwein!
von Dethardt Lauter
   
         
   

In Kirchfarrnbach besonders hatten wir sehr viel Besuch. Alle Onkels und Tanten, Vettern und Basen aber auch Studienfreunde und Amtsbrüder Vaters, sehr viele Studenten, Bauern und Landwirte aus Nah und Fern. Alle erzeigten sich nach der meist sehr reichhaltigen Bewirtung irgendwie erkenntlich durch Tafeln Schokolade, Süßigkeiten und Ähnliches. So fiel für uns Kinder stets reichlicher Segen ab. Viele, vor allem Onkel und Tanten, aber auch die größeren Bauern und Landwirte fragten nach der Sparbüchse der Kinder. Nun hatte ich als Patenonkel den reichsten aller unserer Onkel und Tanten, der eine Tapetenfabrik in Kassel hatte. Vater hatte, um der steten Frage nach der Sparbüchse zu begegnen ein großes Sparschwein aus Ton aus der Stadt mitgebracht, das nicht zu öffnen war und nur auf dem Rücken einen Einschnitt zum Einwerfen des Geldes hatte. Den Anfang, sozusagen die Einweihung machte Onkel Dethardt aus Kassel mit einem Zwanzigmarkstück und daher betrachtete ich das Sparschwein als mein ganz besonderes Eigentum, zumal Onkel Dethardt bei seinen vielen Besuchen stets ein Goldstück einsteckte. Bestimmt war auch mein Anteil der Höchste, doch auch die andern reklamierten ihr Besitzrecht. Gewiss waren, besonders bei Schlachtfesten, dem Sparschwein viele Silbermünzen einverleibt worden. Wenn es auch nicht mit jedem Jahr fetter wurde, so wurde es doch immer voller und schwerer. Eines Tages sagte Vater, er müsse nun wohl in Fürth auf dem Schweinemarkt ein neues noch fetteres kaufen.

Unsere Älteste, die Helene, hatte nun schon seit längerer Zeit dem Vater in den Ohren gelegen um eine Nähmaschine. Vater hat aber nicht so recht daran gewollt, weil auch das Klavier, das sie erst kurz vorher bekommen hatte, noch nicht ganz bezahlt war. Da wusste Helena mit echt weiblicher Klugheit sich zu helfen. Eines Tages beim Zimmerausfegen fegte sie das fette Sparschwein, das oben auf der Ecke des Klaviers stand, mit dem Besenstiel, natürlich ganz aus Versehen herunter. Das Sparschwein ging in tausend Scherben und die Gold- und Silbermünzen kollerten in alle Ecken des Zimmers. Alles stürzte herbei um aufzulesen, Mutter sammelte sie in ein Körbchen und siehe da, es waren fast fünfhundert Mark, eine für damalige Zeit große Summe. Jetzt wurde das Klavier bezahlt und Helene bekam auch noch ihre Nähmaschine. Auf den energischen Protest von uns anderen hin erklärte Vater, die Nähmaschine sei ja für uns alle und gerade von uns Buben würden die meisten Hemden und Hosen darauf genäht, wir andern würden dafür vom Weihnachtsmann schon besonders reicht bedacht werden.

Hierin hat er denn auch Wort gehalten und wir sind selten so reich beschenkt worden wie in diesem Jahr.

   
         
         
zurück zum Verzeichnis "Heimatgeschichtliches Lesebuch"