5. Januar 1915 Feldpostbrief von Johann Wening
 
 
 
 
 
     
 
         
   

Hochverehrter Herr Pfarrer!

Das werte Weihnachtspäckchen habe ich erhalten, aber leider hab ichs erst gestern erhalten. Es hat sich alles recht gut gehalten und habe mich sehr darüber gefreut und danke der lieben Kirchengemeinde und Herrn Pfarrer bestens dafür.

Das liebe Weihnachtsfest haben wir heuer im Feindesland feiern müssen, doch ist uns da auch nichts entgangen. Unser liebes deutsches Volk hat uns nicht vergessen. Es ist ein jeder mit Weihnachtsliebesgaben sehr reichlich bedacht worden. An unserer Front war es den ersten Feiertag ziemlich ruhig und so konnten wir das heilige Weihnachtsfest auch in der Kirche von St. Mihiel feiern. Doch wäre es in der lieben Heimat schöner gewesen. Doch ich will mich trösten. Vielleicht kann ich, wenn es Gottes Wille ist, das nächste Weihnachtsfest in der Heimat feiern.

Wir sind noch immer bei St. Mihiel Mit unseren Geschützen haben wir aber schon einmal Stellungswechsel machen müssen, denn eine feindliche schwere Batterie hat unsere Batterie ausfindig gemacht und hatte sie so stark beschossen, daß die Kanoniere gezwungen waren, die Geschütze zu verlassen. Bei Nacht haben wir sie dann heraus und in eine andere Stellung gebracht, wo sie uns bis jetzt noch nicht gefunden haben und haben dafür auf die alte Stellung eine Scheinbatterie aufgestellt, die sie dann am anderen Tag vollständig zusammengeschossen haben. Es war schauerlich schön zu sehen, wie die Batterien in die Luft geflogen sind.

Verluste haben wir Gott sei Dank noch nicht viel. Vor vierzehn Tagen haben wir einen bei uns sehr beliebten Offizier Herrn Reserveleutnant Wallenstein durch einen Granatschuß verloren. Mir selber geht es gut und sehe in Gottes Namen getrost der Zukunft entgegen.

Es grüßt
hochachtungsvoll
Johann Wening

Man stößt mich, daß ich fallen soll
Aber der Herr hilft mir der Zukunft entgegen.

   
         
 
     
 
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