3. Februar 1915 Feldpostkarte von Matthäus Ständner
 
 
 
 
 
     
 
         
    Frankreich, Ivoiry den 3. Februar 1915

Werter Herr Pfarrer!

Ich möchte Ihnen mitteilen, zwei Wochen sind verflossen, seitdem wir von Erlangen fort und in das Feindesland gekommen sind. Am 22. Januar gegen zehn Uhr hieß es antreten mit Sack und Pack und (wir) verabschiedeten uns von den Kameraden, während wir beinahe 24 Wochen unsere Kameradschaft gepflegt und geleistet haben. Nach erfolgter Aufstellung im Hofe der alten Kaserne hielt unser Bataillonskommandeur eine Ansprache, in der er uns an treue Pflichterfüllung ermahnte und uns die besten Wünsche mit auf dem Wege gab. Nach dem Gebet erfolgte unter den Klängen der Landwehrmusik und einem kräftigen Gesang von dem Ersatz des 19. Regiments, die auch mit uns fuhren bis Saarbrücken, der Abmarsch zum Bahnhof.

Eine große Anzahl (von) Freunden und Bekannten hatte sich eingefunden, um uns ein herzliches Lebewohl und gesundes Wiedersehen zuzurufen. Um ein Uhr erfolgte die Abfahrt. Die Musikkapelle spielte: "Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus" und unter Mützen- und Tücherschwenken der Anwesenden verließen wir unser liebes Erlangen. Unvergeßlich diese Abschiedsstunde!

Die Fahrt ging zunächst über Bamberg, Schweinfurt, Gemünden, wo wir dann unsere Abendkost und zwar Gulasch bekamen. Dann ging es weiter (nach) Aschaffenburg, Darmstadt, Bischofsheim, Mainz, Bingen Brück, wo wir dann unseren Morgenkaffee bekamen und Wurstbrot, überhaupt in allen Stationen, wo unser Zug gehalten hat, bekamen wir Liebesgaben. Dann gings durch das Gebirge bis St. Wendel. Da bekamen wir wieder Mittagessen, aber keine Liebesgaben mehr.

Je tiefer wir in das Elsaß hineinkamen, desto weniger Liebesgaben bekamen wir. In Busendorf bekamen wir wieder Abendkaffee, Reissuppe mit gepökeltem Salzfleisch, dann sind wir wieder gefahren bis Sedan. Da bekamen wir wieder warmes Getränk, dann gings auf die letzte Station Dun. Es war Sonntagmorgen, den 24. acht Uhr, da hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Da konnte man wieder Tee oder Kaffee haben.

Dann mußten wir den Marsch von 30 Kilometern noch zu Fuß ablegen. Außerhalb des Bahnhofs sahen wir schon links und rechts der Straße mehrere Grabhügel der gefallenen Kameraden, die für ihr Vaterland gekämpft haben. Die Dörfer, die wir passierten, sind vollständig zusammengeschossen. Die Häuser bilden nur noch einen Trümmerhaufen. Die Franzosen haben aber es meist selbst getan, damit unsere Truppen keine Unterkunft mehr finden. Auf der Straße merkte man, daß man sich im Kriege befindet. Die Autos fahren hin und her die Bagage, ebenso Sanitäts- und Krankenwagen. In dieses Getriebe mischte sich das Donnern der Kanonen und Brummen unaufhörlich, bis wir nach Ivoiry in das Quartier kamen.

Am 25. morgens gings dann zum Bataillon, das zufällig in Bereitschaft lag, eine halbe Stunde hinter dem Schützengraben. Denn alle drei Tage kommt ein anderes Bataillon dran, das eine ist in Stellung, das andere in Bereitschaft, das andere in vollständiger Reihe zweieinhalb Stunden davor und gegenwärtig in Ivoiry.

Ich kam zum zweiten Bataillon zur 6. Kompanie. Unser Hauptmann begrüßte uns aufs herzlichste. Die Ansprache wurde unterbrochen durch ein heftiges Schrappnellfeuer. Es wurde befohlen in die Unterstände. Nachdem das Feuer nachgelassen hatte, wurden wir von unserem Kompanieführer nochmals begrüßt und willkommen geheißen, über unseren Dienst und die gegenwärtige Gefechtsstellung belehrt.

Am 27. gings zurück nach Ivoiry in die Ruhestellung. Infolge des Schneewetters ist der Boden so aufgeweicht, stellenweise muß man den Morast durchwaten, bis zu den Knöcheln ist man so stets im Dreck. Dann vom 28. bis 2. blieb es gefroren. Aber heute hatte es schon wieder geregnet. Der Boden ist schlammig kalksteinartig und ist sehr zügig. Unsere Stellung ist in dem Wald von Cheppy ("Scheppe").

Es grüßt Sie herzlichst und aufs Wiedersehen
Matthäus Ständtner

   
         
 
     
 
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