Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Im April 1910. Unser Ludwiglein ist von uns gegangen!

Schon seit Wochen ruht sein kleiner Leib im Grab, während seine Seele, des sind wir gewiss, zu Gott gegangen ist. Welches Leid die vergangenen Monate uns gebracht haben, das lässt sich nicht beschreiben. Wir hätten alles gern getragen, wenn wir nur endlich unser Kindlein gesund zurück erhalten hätten. Aber nach aller Angst und Sorge, nach dem bitteren Weh der Trennung und des Fernseins, nach der schweren Operation, nach allem Hoffen und Bangen doch zuletzt das traurige Ende!

Schon während des ganzen vergangenen Jahres, solange wir in unserer neuen Heimat Kirchfarrnbach waren, war Ludwigs Gesundheit nicht mehr so ungetrübt wie früher. Auch ging es immer bald vorüber und wir machten uns keine Sorgen. Im letzten Sommer sprang er fröhlich überall herum, freute sich seines Gärtchens, half dem Papa bei allen Gartenarbeiten und war glücklich, wenn man ihn auf Spaziergängen mitnahm. Er war mein Begleiter fast auf allen Wegen, besonders auch nach Dietenhofen, und mein kleiner Kamerad. Für alles hatte er Interesse, und seine kindlichen Fragen verkürzten den Tag. Es fiel uns wohl auf, dass er gegen Ende des Sommers häufig müde war, wir mussten ihn manchmal tragen, wenn die Füßlein gar nicht mehr weiter wollten; aber wir schoben es aufs Wachsen.

Am 12. September klagte er vom frühen Morgen an über heftige Schmerzen im Leib, er wollte mich keinen Moment vom Bett weggehen lassen. Nachmittags legte ich ihn aufs Sofa, um ihn näher zu haben, er klagte und jammerte noch immer. Plötzlich war er ruhig, ich glaubte ihn schlafend. Wie erschrak ich aber, als ich bei unserem Zusehen sein Gesicht und den ganzen Körper in heftigen Zuckungen sah. Die Augen waren offen; aber sie kannten mich nicht; Ludwig war nicht bei Bewusstsein. Ich riss ihn vom Sofa herunter und schrie laut nach Hilfe. Wir brachten ihn ins Bett und schickten zum Arzt. Der Zustand dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Dann kam ein tiefer Schlaf, und am anderen Morgen erwachte er wie sonst. Wie glücklich war ich, als mein Kind mich wieder kannte! Der Arzt hielt den Anfall für einen Magenkrampf und erklärte ihn tags darauf für völlig gesund. Scheinbar war er’s auch, nur klagte er von da an häufig über Kopfweh. Das nahm immer mehr zu und kam anfallsweise, auch die ganzen Nächte andauernd. Der Arzt wusste keine Rat, er hielt es für nervös.

Wir ließen Ludwig von dem Augenarzt Dr. Enslin in Fürth und von dem Ohren- und Nasenarzt Dr. Bauer in Nürnberg untersuchen. Der erstere fand nur eine kleine Abnormität am rechten Auge, wünschte aber Ludwig zu beobachten; der letztere entdeckte ein Wucherung im Rachen und hielt es für möglich, dass diese die Ursache des Leidens sei. So wurde meinem armen Büblein die Wucherung herausgenommen, was ihm große Schmerzen machte. Spät am Abend kam er mit seinem Vater heim weinend und ganz ermattet und erfroren. Wie gern ließ er sich trösten und beruhigen und ins warme Bett legen und es tat ihm wohl, als ich ihm sagte, die Mama hätte ganz gewiss arg geweint, wenn sie dabei gewesen wäre. Aber die kleine Operation hatte keine Hilfe gebracht, die Anfälle kamen wieder und steigerten sich immer mehr.

Am 6. Nov. sollte er dem Augenarzt wieder vorgestellt werden, dem „guten Herrn Doktor“, wie er ihn nannte, weil er ihm einen Bonbon geschenkt hatte. Ich sehe ihn noch zum Türchen hinaus und die Straße hinunter gehen an seines Vaters Seite, so frisch und unternehmend in seinem blauen Überzieher mit den goldenen Knöpfen und der blauen Mütze. Lange sah ich ihm nach. Ich ahnte nicht, dass er genau ein Viertel Jahr später, am gleich Tag, zum Türchen hinausgetragen werden würde, um nie mehr zu uns zurückzukehren. – Diesmal zeigte die augenärztliche Untersuchung, dass eine Sehnervenentzündung auf beiden Augen da war, die von einem Druck aufs Gehirn herrührt.

 
     
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