Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Der Professor untersuchte ihn und war gar nicht zufrieden, weder mit der Temperatur noch mit dem Augenbefund, er schien auf einmal zu sehen, dass die Operation wenig genutzt habe. So reiste ich wieder schweren Herzens ab, denn immer in der Klinik zu sein war aus verschiedenen Gründen peinlich, und auch sonst war ich ziemlich heimatlos. Aber hätte ich gewusst, dass das Ende so nahe sei, - nicht einen Tag wäre ich trotz allem von meinem Kind gegangen.

Wir ließen uns nun jeden Tag telefonisch Nachricht geben, und die lautete nicht ungünstig. Zweimal reisten wir noch hin. Ludwig lag zwar fast regungslos und hatte manche Beschwerden, auch durch den Verband, aber wir hofften immer noch. Rührend war es, wie er sich bemühte zu lächeln, wenn der Professor kam, es gelang ihm nur den Mund zu verziehen.

Am 24. Januar kamen wir wieder nach Erlangen. Beim ersten Blick schien mir Ludwig so verändert, um seinen Mund lag ein fremder Zug. Er schlief und schien noch schlafbefangen, als er die Augen geöffnet hatte. Ich beschloss nicht mehr von ihm zu gehen, während Wilhelm heim musste. Am andern Tag hatte Ludwig viele Schmerzen, besonders im Nacken, er erwachte unter Weinen und Jammern, es war mir sehr bang. Nachmittag rief er wieder unter seinen Schmerzen „Mama; Mama“, wie früher immer – er rief es zum letzten Mal.

Bald darauf kamen unter heftigen Schmerzen leise Krämpfe. Zum Tod erschrocken rief ich die Schwester, denn ich war mit Dietrich allein im Zimmer. Die Krämpfe waren aber gleich vorüber, und die Professoren fanden ihn wie sonst. Sie beschlossen, am andern Tag wieder zu punktieren. Ich fragte den Professor, ob ich die Nacht bei Ludwig bleiben dürfe, und er bejahte es. Noch einige Male kamen die Krämpfe, länger und heftiger. Und dann wurde es von Tag zu Tag ärger, und unser armes Kind musste schwer leiden.

Ach Gott, welch ein Anblick! Wir mussten zusehen wie er litt und kämpfte und konnten ihm nicht helfen. Wie schnitt uns der müde, traurige Blick der lieben Augen ins Herz! Oft war er nicht bei Bewusstsein, nun war jeder klare Augenblick kostbar. Da sprach ich mit ihm vom Himmel und vom lieben Heiland. Auf die Frage, ob er in den Himmel wolle, nickte er. Über seinem Bett hing das Bild von Jesu dem Kinderfreund. Ich hatte ihm davon so oft erzählt, und nun als er nicht mehr reden konnte, hingen oft seine Augen an dem Bild, und ich sagte ihm dann die Worte des Heilands: Lasset die Kindlein zu mir kommen, die ihm lieb und bekannt geworden waren in der Zeit seiner Krankheit.

Gesprochen hat er wenig mehr, nur einzelne Worte brachte er mühsam heraus, ja, nein; einmal nachts, als ich sagte: „Komm, ich leg dein Köpflein besser“, sagte er „selber“. Ich hielt stundenlang seine Hände, bis die Krämpfe so arg und ununterbrochen wurden, dass man auch das nicht mehr konnte. Der Druck im Kopf machte im große Qual, man sah die Hitze aufsteigen im Gesicht, das dann glühend rot wurde. Die Punktionen hatte nicht den geringsten Erfolg.

Am Dienstag nach einer schrecklichen Nacht, die ich allein bei ihm zugebracht hatte, kam plötzlich Marie und bald darauf Wilhelm. Welch ein tief erschütterndes Beisammensein! Ludwig war einige Stunden ruhiger und schaute uns wohl sehr müde, aber doch mit vollem Bewusstsein an. Er nahm so gern Orangenstückchen, auch etwas Schokolade, weiter aber brachte er nichts hinunter. Wir mussten wohl sehen, dass das Lebenslichtlein nur noch schwach brannte, aber die Hoffnung aufgeben? Nein, nie! Gott konnte ja noch helfen, ihm ist nichts unmöglich.

Und dann brach doch der letzte Tag seines Lebens an. Vormittag kam sein Vater, er kam gerade recht zum Sterben seines Kindes. Die Krämpfe waren besonders heftig, nur von 1/2 4 bis 1/2 5 Uhr schlief Ludwig ganz ruhig. Dann ging es von neuem an. Abends gegen 7 Uhr fühlte ich, wie die Hitze immer größer wurde, die Schwester kam und wollte ihn baden, da öffnete er plötzlich weit die Augen.

 
     
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