Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Das erste Gebet:
 
     
 
Wie ich von seinen ersten Lebenstagen an allabendlich mein Kind dem Schutz des himmlischen Vaters befehl mit den Worten des Liedes: „Breit aus die Flügel beide,“ so lasse ich ihn jetzt abends beim Zubettgehen immer selbst die Händlein falten und bete mit ihm: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Vorläufig macht er noch ein sehr erstauntes Gesicht dazu, bald aber wird er anfangen, es auszusprechen. Kommandiert er doch stets bei Tisch: bet! Auch wenn’s läutet, ist er derjenige, der zum Beten auffordert. Zu dem ersten Gebetlein ist nun das andere gekommen: Ich bin klein, mein Herz ist rein usw. Ludwig fragt abends beim Bettgehen die Mama sehr viel vom lieben Gott. Wenn wir spazieren gehen und er alle die Blumen sieht, die der liebe Gott hat wachsen lassen, ruft er anerkennend aus: Das ist aber ein braver lieber Gott!
 
     
 
Ein neuer Geburtstag: Mein Kind hat „Ich“ gesagt!
 
     
  Solches hat sich zugetragen am: Das kam so ganz allmählich; das Ich spielt jetzt eine ziemlich große Rolle bei dem dreijährigen, besonders dem Schwesterlein gegenüber. Es kommt schon manchmal zu Kämpfen zwischen den beiden, sie liegen sich oft buchstäblich in den Haaren. „Das darf sie nicht haben!“ pflegt Ludwig zu rufen, wenn Mädi mit seinen Sachen spielen will. Er fühlt sich schon sehr erwachsen. Als der Papa kürzlich verreist war, spielte er mit großer Würde die Rolle des Papa. Auf dem Wege zu seiner Gefährtin Marie kehrte er z.B. noch einmal um und rief mir zu: Magdele, gelt, pass mir fei aufs Kind auf! und erst als ich ihm dies versprochen hatte, ging er beruhigt seines Weges. „Mein Mann sein Teller!“ befiehlt er der Lisbeth zu holen, wenn sie die Suppenschüssel abräumt.  
     
 
Erste Äußerungen des Personlebens:
 
     
  Juni: Vorläufig nimmt Ludwig noch alle drei Personen sing. und plur. für sich in Anspruch. Er ist zwar jedes Mal, wenn’s läutet, wie elektrisiert und erklärt: „Ich muss in die Kärch, ich muss scho wieder in die Kärch,“ gleich darauf spricht er aber auch wieder (mit Stolz): „goßer Mann bist du!“ oder er macht die Mitteilung „eine gute Dada will er haben.“ Oder: „Da hängt sein Hutt!“ Kurz, er weiß bis jetzt noch nicht, für welche der drei Personen er sich entscheiden soll. Wenn ich mit ihm einen Besuch mache, so erklärt er bald sehr bestimmt: „Jetzt geh’n mer wieder heim!“ 1907. Auch jetzt noch, mit seinen drei Jahren sagt er z.B. noch: Mama, bitte, gib ihm ein Plätzle, das er eifrig isst!  
     
 
Häusliche Entdeckungsreisen:
 
 

Mit großen Augen schaut sich unser Liebling um, wenn er einmal in ein anderes Gemach als die Wohn- und Schlafstube kommt. Kann ich den kleinen Mann einmal gar nicht brauchen, was auch hin und wieder vorkommt, so bringe ich ihn dem Papa ins Studierzimmer, der darob gewöhnlich sehr erbaut ist. Übrigens kommt er jetzt hinter alles: er räumt Bücher und Noten vom Ständer, zieht alle erreichbaren Schlüssel ab und schleppt die unmöglichsten Gegenstände mit sich herum.

 
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