Adam Christian Ludwig Dietzfelbinger
30. Mai 1904 - 2. Februar 1910
Aufzeichnungen von Magdalena Dietzfelbinger, geb. Nicol über das kurze Leben ihres Sohnes
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Ein Häuflein Wäscheklammern fand ich kürzlich fein säuberlich mitten auf der Straße niedergelegt. Wenn ich am Nähtisch beschäftigt bin, so dauert’s gar nicht lang, bis der Schlingel gelaufen kommt und schmeichelt: „Mama setz, bitte bitte, winzig kleine Mama setz!“ (wodurch ich mir diese Bezeichnung zugezogen habe, ist mir unklar), und ich muss ihn auf den Schoß nehmen, worauf er sofort sein Aufräumungs- und Zerstörungswerk in meinem Nähtisch beginnt.

In der Küche bei seiner Lisbeth lässt er sich häufig sehen und unterhält sie vortrefflich. Manchmal steckt er auch nur den Kopf zur Küchentür hinein und erkundigt sich: „Wo ist denn die Frau Pfalla, Lisbeth?“ Oder er muss „helf“ und hält mit großem Eifer die Schüssel beim Rühren.

Juni. Kürzlich entdeckte ich zu meinem großen Schrecken den jungen Herrn oben auf der Treppe, die er erklettert hatte. Mit großem Triumph schaute er sich um, die böse Mama erwischte ihn aber und erniedrigte ihn wieder einigermaßen.

 
     
     
 
In des Hauses Umgebung; erste Besuche und Reisen:
 
     
 
Hier im Dorf haben wir schon viele Besuche gemacht. Wenn die Mama fortgeht, so nimmt sie gewöhnlich ihren Buben mit und zum Staunen ist’s, was der kleine Mann schon für Reisen gemacht hat. Er war gerade 15 Wochen, da reiste die ganze Familie nach Dietenhofen. das Kind war sehr schwach und machte uns auch in D. viel Sorge, aber Gottlob kehrte er kräftiger zurück. Abermals reiste ich mit dem Enkel im April nach D. zur silbernen Hochzeit der Großeltern; auf dieser Reise quälte er mich schrecklich, bis Bamberg brüllte er unaufhörlich; ich kam wirklich halbtot an. – Ganz anders war’s im Juli, wo wir selbdritt nach Benk und Bayreuth reisten, um dem Urgroßvater und den Tanten und Großtanten den Urenkel und Neffen vorzustellen. Da war er ein Muster von Bravheit, freundete sich mit allen Mitreisenden an und hinterließ auch in Bayreuth und Benk einen sehr braven, heiteren Eindruck. Ganz so war’s auch bei der vierten Reise – nach Dietenhofen - wo er die Bewunderung aller Reisegenossen erregte. Er war tadellos artig, obwohl wir eine sehr ungewollte Rundreise über Würzburg machten, so dass wir erst nachts um 1/2 12 Uhr in Dietenhofen eintrafen. Nur zum Schluss im Wagen gab’s eine große Explosion, was aber durchaus nicht die Schuld des kleinen Mitreisenden war.
 
     
     
 
Als erste Kameraden
hat Nesthäkchen geladen:
 
     
  Die Emma und die Awi, - die beiden sind seine intimsten Freundinnen, die ihn sehr häufig besuchen. Er schwärmt überhaupt sehr für „Mädätät“ und erkundigt sich bei jeder gleich nach dem „Bopf“. Kürzlich (Anfang Januar 1906) hat er die beiden Freundinnen sogar zu einem Tässchen Schokolade bei sich empfangen. Er selbst bediente sich der Ludel zu diesem Getränk. Er hatte auch selbst die Einladungen geschrieben mit folgendem Wortlaut: liebe emma (bzw. awi) sei so gut und komm heut nachmidag, wenn die Schule aus ist, ein wenig zu mir. es krüßt dich dein treuer freund Ludwig Dietzfelbinger. Das war ein vergnügter Nachmittag für alle drei, und den Schluss des Vergnügens bildete Bubis Abendwäsche, bei der stürmische Heiterkeit herrschte. Die zwei bringen ihm auch alle ihre Schätze, Bilderbücher, Plätzchen usw.  
     
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