Das war schon immer so und das ist auch heute noch so üblich,
jedenfalls im Dorf. In Kirchfarrnbach, in einem kleinen fränkischen
Siebenhundert-Seelen-Dorf, dreißig Kilometer westlich
von Nürnberg, haben Frauen mit dieser Tradition gebrochen.
Sie fühlen sich wohl in ihrer Kirche, aber sie sind auch
im Wirtshaus zu Hause.
Gestandene
Frauen sind das
Dieselben
Frauen, die einmal in der Woche zur Bibelstunde ins Pfarrhaus
kommen, finden sich zum Stammtisch im Wirtshaus ein. Meist
im Anschluss an die Bibelstunde. Gestandene Frauen sind das,
verheiratete Frauen, die Kinder haben und über zu wenig
Arbeit nicht klagen können.
Da ist
die 50-jährige Schreinersfrau. Sie macht zu Hause die
Buchführung, sorgt dafür, dass Geld ins Haus und
das Essen rechtzeitig auf den Tisch kommt. Ihre Schwägerin
ist Bäuerin, bewirtschaftet unter Tags, wenn der Mann
in der Stadt auf der Arbeit ist, den Hof alleine. Die 44-jährige
Stammtischkollegin, die mit einem Maurer verheiratet ist,
arbeitet im Büro und im Lager des Familienbetriebs und
sie ist alleine verantwortlich für den Haushalt. Eine
36-jährige kaufmännische Angestellte hat neben dem
Beruf drei halbwüchsige Kinder und den Ehemann zu versorgen.
Und die jüngste im Bunde, eine 32-jährige Packerin,
arbeitet vormittags, wenn die Kinder in der Schule sind, im
Betrieb und nachmittags im Haus und in der kleinen Landwirtschaft.
Niemand
kann hier sagen, das sind Frauen, die zu viel Zeit haben,
die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen.
Das sind keine Frauen, die vor der abendlichen Langeweile
erst in die Bibelstunde und dann auch noch ins Wirtshaus fliehen.
Diese Frauen müssen sich ranhalten, wenn sie den Abend
frei haben wollen für ihre Interessen. Langeweile kennen
sie nicht.
Keine
der Stammtischfrauen plant den großen Aufstand gegen
die Männer. Von der Mutter und der Großmutter haben
sie gelernt, dass nur der Mann abends müde ist. Er muss
bedient werden, er darf sich an den gedeckten Tisch setzen
und er muss auch keinen Gedanken ans Aufräumen und an
den Abwasch verschwenden. Dafür hat er aber ein Recht
darauf zu schimpfen, wenn die Frau in der Küche mit den
Tellern zu laut klappert und ihn beim Fernsehen stört.
Die Frauen
im Dorf sind keine wilden Kämpferinnen für Frauenrechte.
Dass sie allein verantwortlich für Haus und Kinder sind,
darüber beschwert sich bis heute kaum eine von ihnen.
Wer das gut findet, dass der Mann im Haus keinen Finger krümmen
muss, dass Haushalt und Kindererziehung allein Sache der Frau
ist, der findet die Welt in Kirchfarrnbach noch weitgehend
in Ordnung.
Zuerst war die Bibelstunde und dann erst kam das Wirtshaus.
Die Frauen
halten sich zur Kirche. Auch die Stammtischfreundinnen sind
viel eher fromm als frech zu nennen. Zuerst war die Bibelstunde
und dann erst kam das Wirtshaus. Auf diese Reihenfolge legen
die Frauen Wert. In die Bibelstunde sind schon die Großmütter
und Urgroßmütter der Frauen gegangen. Ins Wirtshaus
alleine wagen sich nicht einmal deren sonst so forsche Töchter.
Der Frauenstammtisch
ist dafür bekannt, dass hier nicht nur lose Reden geschwungen
werden. Das schon auch. Zwischendurch jedenfalls wird schon
mal ein zwei- und dreideutiger Witz erzählt. Dann aber
reden die Frauen im Wirtshaus auch über die Bibel.
Wenn es
im Pfarrhaus vorher recht lebendig zugegangen ist, wenn die
Frauen noch ganz erhitzt vom Gespräch ins Wirtshaus kommen,
dann reden sie auch dort noch über die Bibel.