Die Gespenstertüre!
von Dethardt Lauter
   
         
   

Im ersten Stock des großen Pfarrhauses lagen die Schlafzimmer der Familie und ein langes schmales nach hinten war unser Spielzimmer. Unsere älteste Schwester Helene kam auf den Gedanken, diese Stube zur Märchen- und Gespensterstube einzurichten.

Die Wände wurden in halber Höhe mit schwarzem Papier ausgeschlagen und mit ausgeschnittenen Bildern aus allen deutschen Märchen beklebt. In der Mitte stand ein langer schmaler Tisch mit einer roten Decke überdeckt. Darauf stand ein alter ausgestopfter Uhu und auf der andern Seite saß stets unser großer, grauschwarzer Kater, behaglich schnurrend. Dann lag da noch ein alter zerbeulter Helm und ein rostiges Schwert. Diese imponierten uns Jungen besonders, denn unsere Phantasie umgab sie, je nach den dazu erzählten Märchen mit einem hellen Glorienschein. Von der Decke hing eine rot umkleidete Ampel und, wenn wir sie sehr baten, las uns Helene abends vor dem Schlafengehen noch ein paar herrliche Märchen vor, oder sie erzählte uns die köstlichsten Geschichten. Sie saß dabei hinter dem Tisch in einem großen Lehnstuhl, hatte eine schwarze Kapuze auf, trug eine Brille mit grünen Bändern und verstand es schon durch diese ganze Aufmachung eine Spannung und ein Gruseln in uns zu erwecken, die uns zu atemlosen Zuhörern zwangen. Wir saßen auf schmalen Bänken und lauschten verzückt und selig.

Helene hatte aber auch ein Erzählertalent und eine entzückende Art vorzulesen. Sie ist später eine große Missionarin in Indien geworden. Sie erzählte uns auf weiten Spaziergängen ganz lange Geschichten aus Büchern, die sie gelesen hatte und bewies eine Engelsgeduld, wenn wir Kleinen immer wieder nach allen möglichen Dingen fragten, die wir noch nicht recht verstanden.

Nie werde ich die Gespensterstube, eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen vergessen und unsere gute Schwester Helene hat sich damit ein schimmerndes Denkmal in unseren Herzen gesetzt.

   
         
         
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