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Eine
Stunde Wagenfahrt entfernt lag eine Filiale des Pfarramtes.
Alle Monate einmal hielt Vater dort Kirche. Dies war stets
ein Fest für uns Kinder, denn die ganze Familie fuhr
natürlich mit. Wir hatten einen riesigen Landauer dessen
Oberdeck ganz mit Glasfenstern umgeben war, so hatte man frei
Sich nach allen Seiten. Die Fahrt ging durch das Oberdorf,
an Feldern, Wiesen und Teichen vorbei, dann durch das Dorf
Kreben, ebenfalls zur Pfarre gehörig. Endlich durch einen
dichten Wald , wieder durch Wiesen und Felder bis in die Filiale
Hirschneuses. Dort fuhr der Wagen in den großen Hof
des Gastwirts ein, in dessen ersten Stock neben dem großen
Tanzsaal ein Herrenstübchen lag, in das der behäbige
Wirt die Pfarrfamilie mit vielen Komplimenten hinaufbegleitete.
Dort stand schon das Frühstück bereit und da es
bei andern Leuten immer besser schmeck als zu Hause, langen
wir tüchtig zu. Mittlerweile hatte sich der Gemeinde-
und Kirchengemeinderat eingefunden und es ging in feierlichem
Zuge in die nahe Kirche. Nach der Kirche hatte Vater alle
möglichen Besprechungen und wir Kinder tollten mit anderen
aus der Gemeinde in dem nahen Wäldchen herum. Dabei war
es dann passiert.
Meine
älteren Brüder hatten sich mit ihren Taschenmessern
lange dünne Baumwurzeln abgeschnitten, die wunderbar
durch die Luft pfiffen. Aber dabei blieb es nicht, sie gingen
damit aufeinander los und ich , der ich dabei schlichten wollte,
bekam natürlich wie stets in solchem Falle, als der lästige
Dritte, die Prügel, d.h. sie probiertem die Wurzelpeitschen
an meinen nackten Beinen. So lief ich heulend davon und, da
ich die Mutter nicht fand, um mein tief verwundetes Herz auszuschütten,
lief ich in meinem Trotz gleich weiter den ganzen Weg nach
Hause. Ich wollte dadurch das väterliche Gericht auf
sie herabbeschwören, wenn ich vermisst wurde. Falsch
gerechnet! Die Brüder sagten Vater, ich sei ein Spielverderber
und nur aus Trotz nach Hause gelaufen. Vater sage: „Geschieht
ihm recht, was hat er nun davon, verdirbt sich den ganzen
schönen Tag. So war es auch.
Erst ging
es auf dem Heimweg noch, doch als ich erst halbwegs im Walde
war, hörte ich ein entferntes Geheul, das mir schaurig
in die Ohren klang. Alle Geschichten von streifenden, hungernden
Wölfen, die uns die gute Helene erzählt hatte, fielen
mir wein und ich sah mich schon zerrissen und aufgefressen.
So fing ich an um mein vermeintlich verlorenes Leben zu rennen
was ich nur konnte. Der Angstschweiß lief mir in Strömen
herunter und erst im Dorf Kreben glaubte ich mich endlich
gerettet.
Unsere
gute alte Philippine wunderte sich nicht wenig, als ich so
mutterseelenallein ankam. Endlich hatte ich einen, dem ich
meinen Kummer klagen konnte. Sie tröstete mich und fütterte
mich gut, um mich etwas zu entschädigen.
Den Spott
der Geschwister erntete ich natürlich am Abend. Sie erzählten
Wunderdinge, die sie bei Lehrers, wo sie nachmittags zum Kaffee
eingeladen waren und mittags im Gasthof geschmaust hatten.
Ich ärgerte mich insgeheim über meinen Dickkopf,
aber zugegeben hätte ich um die Welt nicht.
Nur Mutter
tröstete mich: „Das nächste Mal darfst nur
du und die Schwestern mit, die wilden Buben müssen zu
Hause bleiben.“ Sie hat auch Wort gehalten, ich habe
die guten Leckerbissen alle gründlich nachgeholt.
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