Zwischen Wirtshaus und Bibel
Vom kleinen Aufstand der Frauen in einem Dorf
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Der nahm das aber ganz ernst, eilte los und kam mit Kamm und Schere zurück. Über den Witz der Frauen wollte er nicht lachen und hat den Frauen, die schnell ihren Krug austranken und davoneilten noch über die Straße verärgert hinterher gerufen.

Das war noch in der Anfangszeit des Frauenstammtisches. Die Frauen machen sich heute nicht mehr über den Wirt lustig. Und der Wirt trägt ihnen die alte Geschichte nicht nach.

Am Stammtisch der Frauen sieht man nicht allzu häufig neue Gesichter. Und mehr als zehn Frauen sind noch selten dort gesehen worden. Die Mehrheit der Bibelstundenfrauen trifft sich nach wie vor nur im Pfarrhaus. Das Wirtshaus bleibt für sie tabu. Manche trauen sich nicht, andere dürfen nicht, die Ehemänner sind dagegen. Wieder andere finden es von sich aus nicht gut, ins Wirtshaus zu gehen. In der Bibelstunde ist man geteilter Meinung über das Wirtshausexperiment der Frauen. Gleich bei der nächsten Zusammenkunft ist darüber gesprochen worden. Was es noch nie gegeben hat, das darf es auch heute nicht geben. Diese Meinung vertreten auch manche Frauen.


Einige Frauen können sich auch nicht vorstellen, dass so ein Abend im Wirtshaus Spaß machen kann

Die Abneigung dieser Frauen gegen das Wirtshaus ist nur zu verständlich. Wer zu Hause Mühe hat, den Mann, der nicht nur am Wochenende völlig betrunken nach Hause kommt, bei Laune und ruhig zu halten, kann am Wirtshaus nichts Reizvolles finden.

Andere Frauen gehen schon einmal ganz gern mit zum Stammtisch. Ihre Männer ziehen ja auch von zu Hause los so oft ihnen der Sinn danach steht. Aber den Frauen gönnen sie das nicht. Die sollen zu Hause bleiben. Wenn diese Männer ihre Frauen im Wirtshaus fänden wäre zu Hause ganz bestimmt der Teufen los.

Es heißt, bei der einen oder anderen Frau habe der Mann jetzt etwas dagegen, dass sie in die Bibelstunde geht. Sie wird dort vielleicht angesteckt vom Geist der Aufmüpfigkeit. Und - wo kämen wir denn da hin! Die Frauen sind fürs Beten gemacht, das Wirtshaus sollen sie den Männern überlassen.

Die Stammtischfrauen lassen sich von solchen Männern nicht mehr einschüchtern. Auch wenn manche Leute glauben, das geht nicht mehr zusammen, das Pfarrhaus und das Wirtshaus. Diese Frauen kriegen das zusammen. Es ist eben doch auch so, dass sie sich einiges zu erzählen haben, wovon sie in der Bibelstunde, auch wenn es da noch so offen und natürlich zugeht, nicht reden wollen. Und dafür brauchen sie das Wirtshaus neben der Bibelstunde.

Man muss doch auch schließlich wissen, wer mit wem und warum und so weiter.

Und ob die Tochter in der Schule gut lernt. Und ob der Sohn noch immer mit dem Mädchen aus der Stadt geht. Und manchmal sicher auch, ob die Frauen zu Hause mit den Männern ihr gutes Auskommen haben.

Die Frauen, die nach der Bibelstunde nicht ins Wirtshaus gehen, tun sich da schwerer, auf ihre Kosten zu kommen. Sie treffen sich schon mal auf der Straße, plaudern auf dem Hof miteinander. Daneben gibt es aber nur noch das Pfarrhaus als allgemein anerkannten Frauentreff. Weil nun die Frauen, die nur im Pfarrhaus die Gelegenheit haben, miteinander zu reden, nicht nur über die Bibel sprechen wollen, kommen sie meist schon eine halbe Stunde vor der Bibelstunde ins Pfarrhaus.

 
     
 
     
 

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