Bocksfahrt!
von Dethardt Lauter
   
         
   

Unsere Base Johanna aus Kassel war stets für extravagante Touren. Sie kam zu uns in die Sommerferien und brachte einen hübschen roten Wagen mit, in den sie unseren Ziegenbock einspannen und damit herumkutschieren wollte. Sie hatte ihre Mutter beredet diesen schönen Wagen in Nürnberg mit allen Schikanen zu kaufen. Er war auch wirklich schön, rot lackiert, mit einer Gabel zum Einspannen und einem schönen nickelbeschlagenen Geschirr. Dazu hatte sie eine Peitsche mit einem Bogen, für die am Wagen eine Einsteighülse angebracht war. Ganz hochherrschaftlich.

Gleich am zweiten Tag versuchte sie den schweren Zuchtbock einzuspannen, es gelang ihr aber nicht. Schließlich gelang es ihr mit allen möglichen Leckerbissen und unserer Assistenz ihn zum Stillhalten zu bringen. Kaum war er glücklich vor dem Wagen, da ergriff sie Zügel und Peitsche, schwang sich hinein und zog dem Bock unter Hüh und Hotte eins über. Der aber verstand keinen Spaß. Erst versuchte er aus der unbequemen Lege herauszukommen und bockte mächtig, aber Johanna, die sehr kräftig war hielt die Zügel fest und, anstatt ihn zu beruhigen, bekam er noch ein paar Hiebe zur Strafe. Jetzt wurde es ihm zu dumm. Er zog im Galopp mit dem Wagen und Johanna ab, in Karriere die Dorfstraße entlang. Erst gefiel es Johanna ganz gut, aber bald wurde es ihr zu gefährlich. Der Wagen schaukelte und sprang über Stock und Stein, auch gelang es ihr nicht den Bock in gerader Linie zu halten. Er brach einmal rechts, einmal links aus und endlich landete er in einem Bauernhof auf dem Misthaufen, wo Johanna samt Wagen umkippte und die Wagengabel abbrach. Jetzt fegte er mit dem leeren Wägelchen wieder die Dorfstraße entlang, bis er auf der Wiese vor dem Dorf landete, wo er so lange tobte und sich wälzte, bis der schöne Wagen ganz und gar in Trümmer war. Friedlich grinsend fingen wir ihn wieder ein.

Johanna kam heulend in ihrem vom Misthaufen arg verdreckten Kleid, setzte sich auf die breite Fensterbank dem Stall gegenüber und war für diesen Vormittag nicht mehr zu gebrauchen. Der böse Bock hatte ihre ganze schöne Ferien-Attraktion in Trümmer geschlagen. Das schöne Stadtkleid war verdorben, das war zu viel für ihren Ferienanfang.

   
         
         
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