Bauer
werden. Doch dieses Ziel ließ sich wiederum
nicht verwirklichen, ich wurde zu einer anderen Entscheidung
geführt und so habe ich insgesamt - kaum zu glauben!
- fast zwanzig Jahre lang die harten Schulbänke
gedrückt und das noch gerne und mit Neugier!
Das Wachsen und Reifen während der Schulzeit
Man
lästert heute gern über die einklassige
Volksschule, in der ein Lehrer sieben Klassen gleichzeitig
unterrichten musste. Für den Lehrer war das gewiss
nicht leicht, aber für mich war ein großer
Gewinn dabei: als ich noch in den unteren Klassen
war, hörte ich mit einem Ohr hin auf das, was
der Lehrer bei den oberen Klassen unterrichtete. Als
ich selber in der fünften bis siebten Klasse
war, da wusste ich zwar schon im voraus, was der Lehrer
unterrichten wollte und so konnte der Lehrer mich
mit anderen Dingen beschäftigen.
Im
Dorf sagte man zu den ersten vier Klassen kleine Schul
im Unterschied zur "großen Schul“,
die die Klassen fünf bis sieben umfasste.
Die
Jahre während der "kleinen Schul“
Aller Anfang ist schwer
Die erste Prüfung - Durchgefallen!
Die
ersten Tage in der Schule gingen für mich vorüber
wie im Traum. Alles war neu und anders als bisher.
Der Schulweg, der Schulhof, in den ich jetzt zum ersten
Mal kam, der hintere, niedrige Eingang ins Schulhaus
für die Schüler, der Schulunterricht selber,
ein Lehrer für sieben Klassen, die vielen Buben
und Mädchen, wie im Schlaf erlebte ich alles
und war doch zugleich hellwach. Ich musste nur schauen
und hören und staunen und dabei vergaß
ich mich selbst, auch dass ich in der Schule etwas
lernen oder arbeiten sollte.
Nach
einiger Zeit wollte der Herr Lehrer von uns wissen,
welche Fortschritte wir im Lesen schon gemacht hätten.
Er stieg auf sein Podest, setzte sich auf seinen Stuhl
und rief uns von der ersten Klasse mit unserem Lesebuch
an seinen Tisch. Der Erste konnte ganz gut lesen und
durfte sich mit seinem Buch bald wieder setzen. Der
zweite Schüler kannte die Buchstaben und musste
erst lernen, die Buchstaben zu einem Wort zusammenzubauen.
Es dauerte eine Zeit lang, bis er das konnte und an
seinen Platz gehen durfte.
Dann
kam ich an die Reihe, nahm mein Buch in die Hand,
kletterte auf das hohe Podest hinauf und hielt mich
an dem wackligen Tisch fest. Der Lehrer schlug das
Buch auf und
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deutete
mit dem Finger auf die Buchstaben, die ich lesen
sollte. Ich schaute den Lehrer an, der Lehrer schaute
mich an, ich schaute die Buchstaben an, aber es
kam kein Ton aus meinem Mund - ich schaute den Lehrer
an, der Lehrer schaute wieder mich an, der Lehrer
wurde rot im Gesicht, um seinen Mund zuckte es,
als wolle er etwas sagen.
Der
Zwicker auf seiner Nase wackelte bedenklich. Ich
kriegte Angst vor dem Lehrer, schaute nicht mehr
nach den Buchstaben, sondern nach der Türe
und nach einem Fluchtweg und wie ich am besten von
dem für mich hohen Podest herunterkäme.
Bevor ich die Flucht ergreifen konnte, ein letzter
Blick dem Lehrer in die Augen und siehe da, seine
Augen und sein Mund lächelten. Er war gar nicht
mehr so streng und ernst wie vorher, sondern sagte
ganz freundlich zu mir: "Komm! Setz dich wieder
auf deinen Platz!“
Als
die Schule aus war, rannte ich nach Hause, suchte
die Mutter und machte ihr schwerer Vorwürfe,
weil sie sich nicht um mich und um das Lesen in
der Schule gekümmert hätte, alle die Vorwürfe,
die der Lehrer schon im Gesicht gehabt, aber doch
nicht gesagt hatte, denn für den kleinen Schüler
war es eine große Blamage gewesen. Die Mutter
versprach Besserung und nahm sich nun ein bisschen
Zeit, jeden Tag mit mir zu lesen. Aber bald wachte
ich aus meinem Traumschlaf auf und die Neugier nach
Wissen, nach immer mehr Wissen ergriff mich.
Bald
danach habe ich Lesen gelernt und habe diese Kunst
mit Begeisterung betrieben, wenn auch nicht so sehr
in dem Lesebuch der Schule.
Die
Zeit der "großen Schul“
Die Klassen 5 bis 7 der Volksschule
Mein
Realienbuch
In
der "großen Schul“, ab meinem elften
Lebensjahr, wurde der Unterricht für mich schrecklich
langweilig. Es scheint, dass auch der Lehrer diese
meine Situation erkannt hat und dass er auf seine
Weise hier Abhilfe zu schaffen suchte.
Ich
vermute, dass er meiner Mutter geraten hat, für
ihren Buben ein Realien-Buch zu kaufen. In einem
solchen Realien-Buch war damals Physik und Chemie
und Geographie enthalten, also vieles, was über
die damalige Volksschulbildung hinaus wies. Meine
Mutter kaufte dieses Buch und schenkte es mir, das
war ganz neu für mich. Das hatte Mutter noch
nie getan, etwas zu kaufen oder zu beschaffen, was
nicht unbedingt fürs Leben notwendig war.
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